: Keine Entwarnung bei Dieselruß
■ Krebsrisiko aber möglicherweise geringer als angenommen/ Widersprüchliche Forschungsergebnisse/ Bei Langzeitversuchen löst Dieselruß bei Ratten Krebs aus
Bonn (ap/taz) — Rußpartikel aus den Auspufftöpfen von Dieselfahrzeugen bedeuten für den Menschen möglicherweise ein geringeres Krebsrisiko als bisher angenommen. Darauf deuten die Ergebnisse fünfjähriger Untersuchungen von vier verschiedenen Wissenschaftlergruppen in Deutschland hin, die das Bundesforschungsministerium gestern in Bonn veröffentlicht hat. Danach wurde bei Ratten im Langzeitversuch erst Lungenkrebs ausgelöst beim 40fachen der Rußkonzentration, der ein Mensch an einer belebten Straßenkreuzung maximal ausgesetzt ist.
Bei Mäusen und Hamstern lösten auch wesentlich höhere Konzentrationen keinen Krebs aus. Da die Wissenschaftler den Krebsverdacht andererseits aber nicht völlig ausräumen konnten, empfahlen sie eine schnellstmögliche Verwirklichung aller technischen Möglichkeiten zur Verringerung des Rußanteils in den Abgasen von Dieselmotoren.
Nach Experten-Schätzungen werden in Deutschland jedes Jahr etwa 70.000 Tonnen Dieselruß aus Motoren freigesetzt. Rund 60 Prozent davon stammen aus Abgasen von Dieselnutzfahrzeugen. An stark befahrenen Kreuzungen in Ballungsgebieten wurden Dieselruß-Konzentrationen zwischen 0,015 und 0,02 Milligram pro Kubikmeter Luft gemessen. Rußpartikel sind in der Mehrheit so klein, daß sie mit der Atemluft aufgenommen werden und bis tief in die Lunge gelangen können. In Deutschland gilt Dieselruß seit 1987, bei der Weltgesundheitsorganisation seit 1989 als Stoff, der in begründetem Verdacht steht, beim Menschen Krebs auszulösen.
Bei den Untersuchungen haben Versuchstiere wöchentlich 90 Stunden lang Luft eingeatmet, die zwischen 0,8 und 7,5 Milligramm Dieselruß pro Kubikmeter enthielt. Die Ergebnisse sind jedoch widersprüchlich:
— Bei einem Partikelgehalt von 0,8 Milligramm pro Kubikmeter wurden auch bei Ratten keine Tumore gefunden.
— In höheren Konzentrationen, ab etwa 2,2 Milligramm pro Kubikmeter, wirkt Dieselruß bei Ratten krebserzeugend. Das ist das 110fache der maximalen Konzentration an einer Straßenkreuzung während 90 Wochenstunden.
— Bei Mäusen und Hamstern entstand bei gleichen Rußkonzentrationen kein Krebs.
Da aus den Versuchsergebnissen nicht ohne weiteres abzuleiten ist, ob sich Dieselruß beim Menschen eher so auswirkt wie bei Ratten oder wie bei Hamstern und Mäusen, kann für die Wissenschaftler „ein geringes Krebsrisiko durch Feinstäube in höherer Konzentration für den Menschen derzeit nicht ausgeschlossen werden“. Sie empfehlen daher, das Gesundheitsrisiko des Menschen eher auf der Basis der Rattenversuche zu beurteilen.
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