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Keine Aussage aus Angst vor Rache

■ 25jähriger Vietnamese wegen versuchten Totschlags von Landsleuten vor Gericht. Zeuge verweigert die Aussage

In der Anklagschrift lautet sein Name Ho Cong L. Aber ob er wirklich so heißt, ist sein Geheimnis. Stumm und reglos saß der 25jährige Vietnamese gestern im Kriminalgericht Moabit neben seinem Verteidiger, während das Gericht mühsam Identitätsforschung betrieb.

Zunächst wurde ein polizeilicher Sachverständiger gehört, seines Zeichens Experte für Fingerabdrücke. Dieser offenbarte, daß der Fingerabdruck von Ho Cong L.'s rechtem Zeigefinger gar nicht von Ho Cong L. stammt, sondern mit dem eines gewissen Xuan Tuan P. identisch ist, der vor Jahren erkennungsdienstlich behandelt worden war. Als nächter Zeuge bekundete ein Kripobeamter, daß ein gewisser Xuan Tuan P. im vergangenen Frühjahr nach einem Schußwechsel in einem Vietnamesenwohnheim mit einem Halssteckschuß ins Krankenhaus gebracht worden war. Aus diesem sei er sechs Tage später spurlos verschwunden. Auch dazu äußerte sich der Angeklagte gestern nicht, aber die rotglänzende längliche Narbe über seinem Hemdkragen sprach für sich.

Ho Cong L. oder Xuan Tuan P. steht seit gestern wegen versuchten Totschlags vor dem Moabiter Kriminalgericht. Er soll im Dezember 1992 mit mehreren Mittätern in ein Zimmer eines Wohnheims in Marzahn gestürmt sein und dabei mit Schwertern, Messern, Beilen und Eisenstangen auf vier dort anwesende vietnamesische Staatsbürger eingeschlagen haben. Die vier Opfer erlitten teilsweise lebensgefährliche Verletzungen.

Zwei der Täter wurden 1994 aufgrund der Aussagen der Opfer zu vier Jahren Haft verurteilt. Als Tathintergrund hatten die Zeugen damals Streitigkeiten unter den illegalen Zigarettenhändlern und Schutzgelderpressung angegeben.

Ho Cong L. oder Xuan Tuan P. steht erst jetzt vor Gericht, weil er bis zum vergangenen Herbst untergetaucht war. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Zu den ihm vorgeworfenen Taten schweigt er. Ob es dem Staatsanwalt gelingen wird, ihn zu überführen, ist fraglich. Denn zwei der Zeugen sind inzwischen untergetaucht. Ein dritter Zeuge wurde gestern gehört, verweigerte jedoch aus Angst jegliche belastende Angabe.

„Ich wurde damals so schwer verletzt, ich will damit nichts mehr zu tun haben“, erklärte der 27jährige ehemalige Vertragsarbeiter, der sich eigens einen Rechtsanwalt mitgebracht hatte. Nach seiner Aussage im ersten Prozeß sei er aus Rache „fast entführt“ worden. Und jetzt seien ihm schon wieder für den Fall einer Verurteilung des Angeklagten Konsequenzen angedroht worden.

Der Prozeß wurde damit schwieriger, als es dem Gericht lieb sein konnte. Egal, was das Gericht gestern bezüglich der Täter auch fragte, es bekam von dem Zeugen immer nur ein „Ich weiß nicht“ zur Antwort. Nicht einmal zum allgemeinen Tathintergrund wollte er irgendeine Aussage machen: „Ich habe dafür keine Erklärung.“ Der Prozeß wird am Freitag fortgesetzt.

Die Claims im illegalen Zigarettenhandel werden immer blutiger abgesteckt. Seit Dezember 1992 sind in Berlin laut Polizei 21 Vietnamesen Tötungsdelikten zum Opfer gefallen. Mindestens 10 Personen wurden schwer verletzt. Auch in diesem Jahr gab es bereits vier Todesopfer. Plutonia Plarre

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