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Keine Ahnung von Atomkraft

AKW Brunsbüttel: Wasserstoffexplosion im Sicherheitsbehälter nach zehn Jahren zufällig entdeckt. Kieler Energieministerium bezweifelt „Zuverlässigkeit und Fachkunde“ der HEW. Sondersitzung der Reaktorsicherheitskommission in Hamburg

von SVEN-MICHAEL VEIT

Stell dir vor, es kracht im AKW, und keiner merkt‘s. Im Atomkraftwerk Brunsbüttel können sogar Wasserstoffexplosionen unbemerkt bleiben – zehn Jahre lang. Diesen begründeten Verdacht äußerte gestern Wilfried Voigt, grüner Staatssekretär im Kieler Energieministerium. „Zuverlässigkeit und Fachkunde“ des Reaktorbetreibers HEW, so Voigt spitzzüngig, „sind nach wie vor ein Problem.“ Eine Wiederinbetriebnahme des stillgelegten AKW sei „in absehbarer Zeit“ nicht zu erwarten.

Vor einem Jahrzehnt ist „vermutlich“ bei einer Explosion im Sicherheitsbehälter des Reaktors ein Rohrstutzen deformiert worden. Hinweise darauf wurden erst jetzt bei einer Totalinspektion des Meilers entdeckt. Diese hatte das Ministerium am 18. Februar nach einem schweren Störfall „mit massivem Druck“, so Voigt, durchgesetzt. Damals hatten die HEW mit zweimonatiger Verzögerung eingeräumt, dass bei einer Wasserstoffexplosion am 14. Dezember vorigen Jahres eine Rohrleitung auf etwa drei Meter Länge zerfetzt worden war. Dabei war Dampf ausgetreten, aber keine radioaktive Strahlung gemessen worden.

Das Bundesumweltministerium bestätigte auf Anfrage, von Kiel über den Sachverhalt informiert worden zu sein. Es gebe im Moment allerdings „keinen konkreten Handlungsbedarf, weil das AKW ja nicht am Netz ist“, so Ministeriumssprecher Martin Waldhusen. Und das werde es zunächst „auch bleiben“. Ab morgen soll sich die Reaktorsicherheitskommission des Bundes auf einer zweitägigen Sondersitzung in Hamburg mit den Vorfällen beschäftigen. Das unterstreiche „die außerordentliche Bedeutung, die dem Brunsbüttel-Störfall in Expertenkreisen beigemessen wird“, betonte Voigt.

HEW-Sprecher Johannes Altmeppen erklärte gegenüber der taz, er sehe „kein größeres Prob-lem“. Die Überprüfungen würden wie geplant fortgesetzt und alle vom Energieministerium gestellten Anforderungen „Punkt für Punkt“ abgearbeitet: „Wir sind im grünen Bereich“, so Altmeppen.

Das sieht der grüne Staatssekretär durchaus anders: „Wir haben der Betreiberin vor wenigen Tagen noch einmal schriftlich unmissverständlich unsere Position deutlich gemacht, nach der konsequentes Sicherheitsmanagement von ganz oben nach unten verbindlich organisiert und praktiziert werden muss.“ Es gebe „erheblichen Schulungsbedarf, bis hin zum Management“.

Nach Bekanntwerden des Dezember-Störfalls im Februar war der Leiter des AKW zurückgetreten. Voigts Vorgesetzter, Energieminister Claus Möller (SPD), hatte dies seinerzeit als nur einen Schritt „zur Ausräumung von Zweifeln an der Zuverlässigkeit“ der Betreiber bezeichnet. Die umfangreichen Untersuchungen durch Experten würden fortgesetzt, eine „vollständige Klärung des Schadensmechanismus“ sowie Vorkehrungen gegen weitere Wasserstoffexplosionen seien unverzichtbar.

Wie schwer gestört das Vertrauensverhältnis zwischen HEW und Ministerium ist, offenbarte Voigt gestern freimütig. Der Entzug der Betriebsgenehmigung und damit die endgültige Abschaltung des AKW sei „atomrechtlich“ nicht möglich, aber „politisch“ sei die Forderung „verständlich“.

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