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Kein Trinkwasser mehr„Das ist schon Körperverletzung“

Der Eigentümer der teilbesetzten Haabersaathstraße hat den Be­woh­ne­r:in­nen das Trinkwasser abgestellt. Der Bezirk will handeln.

Spekulationsobjekt: Fassade der Habersaathstraße in Mitte Foto: Imago/Emmanuele Conti

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Clara Dünkler aus Berlin

taz | „Um 10:06 Uhr lief das Wasser noch mit vollem Strahl, um 10:07 Uhr nur noch zur Hälfte. Um 10:10 Uhr war es dann ganz weg“, sagt Daniel Diekmann, Mieter in der Haabersaathstraße. Die Be­woh­ne­r:in­nen der Häuser 42-48 haben seit Montagmorgen kein Trinkwasser mehr, es wurde ihnen wohl vom Eigentümer abgestellt. Legal ist das nicht. „Auf Recht und Gesetz können sich Mieter hier in Mitte scheinbar nicht verlassen“, sagt Daniel Diekmann der taz, einer der letzten Be­woh­ne­r:in­nen mit unbefristetem Mietvertrag in dem Gebäudekomplex.

Die Haabersaathstraße ist seit Jahren umkämpft. Der Eigentümer Andreas Pichotta will hier Luxuswohnungen bauen. Dafür müssen allerdings die aktuellen Be­woh­ne­r:in­nen raus, denn die Gebäude sollen abgerissen werden. Im Dezember 2021 besetzten 60 wohnungslose Menschen gemeinsam mit Ak­ti­vis­t:in­nen den zum Großteil leerstehenden Plattenbaukomplex im Bezirk Mitte. Auch Mie­te­r:in­nen mit unbefristeten Verträgen leben hier weiter, die den Abrissplänen im Weg stehen.

Um die Be­woh­ne­r:in­nen zum Auszug zu bringen, setzt Eigentümer Pichotta auf brachiale Methoden – das Abstellen des Wassers ist nur die neuste Schikane. Aktuell versuchen die Be­woh­ne­r:in­nen mit einer einstweiligen Verfügung dagegen vorzugehen. Gibt das Gericht dem Antrag statt, würde dies Pichotta verpflichten, das Wasser innerhalb von 24 Stunden wieder anzustellen. Doch Valentina Hauser von der Initiative Leerstand Hab-Ich-Saath, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat Zweifel: „Wer soll das durchsetzen? Die Polizei und das Bezirksamt schauen bisher ja nur zu“, sagt sie.

Zum 1. November hat Pichotta außerdem den Fernwärmevertrag für die Häuser gekündigt – dann drohen die Wohnungen, kalt zu werden. Erst am vergangenen Wochenende hatten mehrere Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma sich brachial Zugang zu den Häusern verschafft und versucht, die Häuser illegal zu räumen. Bereits 2023 entfernte ein Bautrupp die Stromzähler und beschädigte mehrere Wohnungen. Seitdem haben die Be­woh­ne­r:in­nen ohne Vertrag weder Strom noch Warmwasser.

Der Bezirk will handeln

„Man fragt sich schon, was eigentlich noch passieren muss, bis das Bezirksamt handelt“, sagt Katrin Schmidberger von den Grünen zur taz. Die Bauaufsicht habe für Dienstagmorgen eine Begehung angekündigt, so Schmidberger. Sollte Pichotta den festgestellten Schaden nicht schnell beseitigen, würde das Bezirksamt eine Ersatzvornahme beschließen, sagt Schmidberger. Das heißt, dass der Bezirk dafür sorgen würde, dass Wasser- und Wärmeversorgung sichergestellt sind. Die Kosten hierfür müsste der Eigentümer tragen. Die taz-Anfrage ließ das Bezirksamt bisher unbeantwortet.

„Nachdem wir schon so lange dafür kämpfen, hier zu bleiben, geben wir jetzt nicht auf“, sagt Mieter Diekmann. Das Vorgehen des Eigentümers hält er für eine Form des organisierten Verbrechens. „Er tut gerade so, als ob er alles mit dem Gebäude machen kann, nur weil es sein Eigentum ist“, sagt Diekmann. Auch Hauser ist erschüttert, dass jetzt auch noch das Trinkwasser abgestellt wurde: „Das ist nicht mehr nur Nötigung. Das ist Körperverletzung“, sagt sie der taz.

Die Vermutung der Initiative: Pichotta stehe unter Zeitdruck. Denn die Abrissgenehmigung für die Häuser ist nur noch bis zum 31. Dezember gültig. Und auch die Baugenehmigung laufe bald aus. „Das Vorgehen hat System“, sagt Hauser. Die Initiative fordert, dass die Genehmigungen nicht verlängert werden. Die Häuser sollen rekommunalisiert werden.

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