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Kein Pop-Lude

■ Die Afghan Whigs retten diese Sehnsucht

Wenn man der Meinung ist, daß die Afghan Whigs mit dem Stück „Debonair“ auf ihrer letzten Platte Gentlemen jenes Lied geschrieben und gespielt haben, das sie auf den Ruhepunkt an der Spitze des musikalischen Bewußtseins geschoben hat, dann kann man natürlich mit der neuen Platte Black Love nicht sofort Freund werden. Nach einem solchen Stück ist alles weitere ein wenig wie eine Sex-Pistols-Reunion-Tour. Aber mit etwas Geduld entdeckt man dann doch, daß Greg Dullis Art sich zu beschweren, die Empörung in seiner Stimme, selbst dort, wo andere Rockheinis das baladeske Schmierfett anstellen, sich als jene Ansprache eröffnet, die man im harmonischen Freakismus der jungen Rockgeneration – nicht nur aus den USA – als Läuterung braucht.

Auch wenn Dulli sich inzwischen in jene bis zum Horizont reichende Reihe von ehemaligen Filmstudenten mit Schwindelgefühlen über dem Abgrund der Melancholie eingereiht hat, die irgendwann die Bibel als wichtiges Buch entdecken, läßt der Klang seiner Stimme ihm zur Verleugnung seiner wahren Heiligkeit keine Chance: Um Sehnsucht, Lust, Leidenschaft vor dem Popkitsch zu retten, stellt er sich mit Frechheit, Gewalt und stilvoller Entrüstung an den Bühnenrand und kippt Kübel von Selbstbildern in das Publikum. Zu Ihrer Verfügung und Erquickung.

Black Love fehlt der Überflieger, das Stück für die Erinnerung in zehn Jahren. Aber als Platte, die als Vernunftschmeichler den Abstieg in jene Regionen wagt, wo man sehr gut sein muß, um nicht als Poplude falscher Gefühle gesteinigt zu werden, ist die neue Verbindung aus Rock, Soul und weise falschen Tönen wieder Kur für viele Krankheiten. Euphorie ohne Windelweichheit, Greg Dulli hat die Verlockungen dafür dabei. tlb

So, 24. März, 21 Uhr, Logo

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