: Kein Platz im Lehrerzimmer
betr.: „Der neue Bildungsschock“, „Weniger Freiheit, mehr Anerkennung“ (Kommentar von Ralf Bollmann), taz vom 29. 10. 02
Als Gymnasiallehrerin in Hessen mit der Fachkombination Biologie/Chemie unterrichte ich die Klassenstufen 5 bis 13 und würde gern mit einem französischen Kollegen tauschen, denn dann müsste ich nicht 25 Stunden pro Woche unterrichten, sondern nur 16. Zum Aufbau der Versuche, zum Abbau mit Reinigung hätte ich den schuleigenen technischen Assistenten, für die Vertretungsstunden eine schuleigene Assistentin, und Pausenaufsichten wären unter meinem Niveau. Auch bräuchte ich mich nicht mehr um Abiturthemen zu kümmern, denn die kämen zentral aus der Hauptstadt. Keinem Schüler müsste ich wegen Entschuldigungen und Abwesenheit hinterherrennen, das erledigte das Sekretariat. Ich bräuchte auch nur noch den Stoff in einem Fach und das auch nur für 3 bis 4 Jahrgangsstufen präsent zu haben und bezöge dann gerne weniger Gehalt … Also: Mir wär’s zu langweilig, aber das ist hier nicht das Thema. BÄRBEL REUMANN, Eschborn
Der Kommentar ist wie viele andere zum Thema Schule/Lehrkräfte leider von Ahnungslosigkeit geprägt: Nur wer nicht zusammengepfercht mit etwa 50 anderen Kolleginnen und Kollegen in einem Lehrerzimmer sitzen muss, bei dem man nicht einmal weiß, wo man seine Tasche abstellen soll, wenn auch noch die Füße Platz haben sollen, kann ernsthaft vorschlagen, acht Stunden in der Schule auszuharren.
Jede(r) in einem Büro Arbeitende hat – selbst bei der taz wird dies nicht anders sein – zusätzlich zu einem eigenen Schreibtisch, auch einen eigenen PC oder Laptop zur Verfügung, was an wohl keiner Schule in Deutschland der Fall ist. Durch Zusammenarbeit Zeit sparen? Sehr gut! Habe ich aber dann nach acht Stunden wirklich „frei“? Solange also diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, arbeite ich lieber die zweite Hälfte meiner Arbeitszeit an meinem höchst eigenen Schreibtisch zu Hause, an meinem privaten Computer; und kann jederzeit nachweisen, dass ich mindestens ebenso viel arbeite wie Leute mit ähnlichem Einkommen, die nicht im Schuldienst sind. NORBERT MALDENER, Markt Indersdorf
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