Kein Nachfolger für Blatter: Auf der Suche nach dem Superleader
Die Headhunter der Fifa dürften es schwer haben, einen Nachfolger für den Chefposten zu finden, der Kritikern und Fans von Joseph Blatter gefällt.
J oseph Blatter ist bald schon weg. Ja, gut. Aber was dann? Die Fifa steht vor einem schwierigen Prozess der Umstrukturierung. Die Macht muss neu austariert werden zwischen den Duodezfürsten der einzelnen Kontinentalverbände. Der Autokrat Blatter, der bislang alle Strippen in der Hand hielt, hinterlässt keinen Ziehsohn. Blatter war zu sehr Sonnenkönig, als dass er sich um eine vernünftige Nachfolge im Fußballweltverband gekümmert hätte.
Ihm ging es immer nur darum, die Interessen der 209 Mitgliedsverbände bauernschlau zu makeln. Das tat er mit geradezu machiavellistischem Geschick. Dabei ist er auch Opfer seines ökonomischen Erfolgs geworden. Als der Schweizer 1998 den Posten des Präsidenten übernahm, hatte die Fifa fast 50 Millionen Dollar Schulden. Jetzt verfügt sie über ein Vermögen von 1,5 Milliarden Dollar. Mit der Höhe des Geldberges wuchsen auch die Begehrlichkeiten von Fußballfunktionären, die Good-Governance-Regeln oder Compliance-Vorschriften für ziemlichen Bullshit halten.
Die Nachricht, dass Blatter geht, hat in der westlichen Welt bei Politikern und Fans Jubel ausgelöst. Auch die Funktionäre des europäischen Verbandes Uefa frohlocken. Aber was ist mit jenen 133 Fußballverbänden, die Blatter erst kürzlich in Zürich noch einmal im Amt bestätigt haben? Sie kommen mehrheitlich aus Afrika und Asien.
Dort wird Blatters Wirken oft anders beurteilt als in Deutschland oder England. Während der 79-Jährige hierzulande bisweilen als korrupter Drecksack beschimpft wird, ist er für die Entwicklungsländer des Fußballs immer noch ein Heilsbringer, natürlich auch, weil er nicht so genau hingeschaut hat, wo all die Entwicklungsgelder hingeflossen sind.
So entstand ein Dickicht aus Loyalitäten und Abhängigkeiten, das nun mit starker Hand durchschlagen werden muss. Es muss auch über eine Neuvergabe der Weltmeisterschaften in Russland und Katar nachgedacht werden. Aber wer kann das leisten?
Die Headhunter der Fifa dürften es verdammt schwer haben, denn sie müssen den multipel begabten Superleader finden, der die Fifa wie ein globales Unternehmen führt, den Leuten von Transparency International große Freude bereitet und gleichzeitig mit den oft verqueren Wertvorstellungen des internationalen Fußballadels umgehen muss. Eine echte Reform der Fifa wird Zeit brauchen, viel Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind