: Kein Abi bei Schichtdienst?
■ Kultursenatorin will nicht länger zahlen für Schulabschlüsse bei der Volkshochschule
In Zukunft werden BremerInnen, die als Erwachsene ihren Schulabschluß nachholen wollen, möglicherweise nicht mehr die Wahl zwischen zwei Schulformen haben. Denn der „Schulabschlußbereich“ der Volkshochschule, mit dem versäumte Haupt-, Realschul- und Gymnasialabschlüsse nachgeholt werden können, soll nach Planungen der zuständigen Kulturbehörde geschlossen werden. Der Grund für diese Planungen ist der Spardruck, der auf dem Ressort lastet. Doch das Ende des VHS-Angebots würde dem Bremer Staat keinen Pfennig sparen: Das Personal ist praktisch unkündbar und müßte anderswo weiterbeschäftigt werden, entlastet wäre nur der Kulturhaushalt.
Seit Jahren bietet die Volkshochschule Lehrgänge für den Abschluß in Haupt- und Realschule und auch zur „Nichtabiturientenprüfung“ (NAP) an. Haupt- und Realschulabschlüsse werden vor allem von ausländischen Jugendlichen gemacht, die NAP vor allem von berufstätigen Menschen als Eintrittskarte für Uni und Hochschule genutzt. Das Programm wird von allen Seiten anerkannt und gelobt.
Doch mit Beginn der Ampelkoalition wurde die gesamte VHS von der Bildungs- zur Kulturbehörde umgeschichtet. Und seitdem müssen die 22 LehrerInnen, die sich in feste Beschäftigungsverhältnisse eingeklagt haben, aus dem Etat von Kultursenatorin Helga Trüpel finanziert werden.
Das soll jetzt ein Ende haben. „Wir müssen sonst wegen des Spardrucks selber Stellen in unserem Ressort abbauen“, sagt Trüpel. Kultur-Staatsrat Schwandner hat daher am 9.Juni die VHS-Leitung angewiesen, ein Konzept zur Abwicklung des Bereiches vorzulegen. „Das Angebot soll auf jeden Fall, vor allem mit Blick auf die ausländischen Jugendlichen, erhalten bleiben“, meint Trüpel. Nur eben nicht in der VHS, sondern in der Erwachsenenschule. Die untersteht dem Bildungssenator und wird von ihm finanziert. Über die Verschiebung der LehrerInnen-Stellen und des Angebots wird zwischen den Ressorts derzeit verhandelt, heißt es.
Die LehrerInnen aus dem VHS-Bereich wollen sich gegen die Schließung wehren. Sie fürchten nicht nur die Umsetzung auf unattraktive Posten, sondern auch um das Angebot an die SchülerInnen. „Besonders mit der NAP erreichen wir eine Klientel, die die Erwachsenenschule mit ihrer festen Stundentafel nicht abdeckt“, sagt Birgit Kiesche, Sprecherin der Gesamtkonferenz. „Leute, die im Schichtdienst arbeiten, bevorzugen die NAP, weil sie hier keine Anwesenheitspflicht haben und sich ihr Lernpensum selbst einteilen können.“ Auch besuchten ihre Schule gerade Menschen mit schlechter Erfahrung im „normalen“ Schulalltag, die es auf der Erwachsenenschule schwer hätten.
Rettung versprechen sich die LehrerInnen möglicherweise von der Bürgerschaftswahl 1995 und einer dann folgenden Neuordnung der Ressorts, wobei die VHS wieder an die Bildungsbehörde zurückfallen könnte. Aber die Zeit bis dahin muß eben erst einmal überstanden werden – „Wenn man das Angebot erst mal zerschlägt, ist es später, wenn es gebraucht wird, nicht mehr wiederzubeleben“, sind sie sich sicher.
Die Kultursenatorin bedauert die trüben Aussichten, will aber kein Geld mehr für den Schulabschlußbereich der VHS lockermachen. Es sei denn, daß die Eckwerte für ihr Ressort bei der Senatssitzung am 27.Juni, wo es um die Einhaltung der Sparquoten gehen soll, um diese Summe aufgestockt werden.
bpo
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