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Kaum Pressefreiheit in GuatemalaKriminalisierung von oben

In Guatemala wird die Presse unfreier. Laut einem Datenleak hat das Verteidigungsministerium Jour­na­lis­t:in­nen als „nationales Risiko“ eingestuft.

Arbeiten vom Exil aus: Journalisten-Duo Sonny Figueroa und Marvin del Cid Foto: Knut Henkel

Die Analyse aus dem Verteidigungsministerium trägt den Titel „Bedrohungen und Risikofaktoren für die nationale Sicherheit Guatemalas“. Unter den Risikofaktoren ist auf Platz sieben „Medienkampagnen gegen die Armee“ als Risikofaktor nach Drogenhandel, organisierter Kriminalität oder Internetsicherheit aufgeführt. Es erscheinen die Gesichter von vier Journalisten und die Anzahl der kritischen Artikel, die sie in den Jahren 2021 und 2022 verfasst haben.

Der erste ist der derzeit inhaftierte Redaktionsleiter der mittlerweile aufgrund der staatlichen Schikanen eingestellten kritischen Tageszeitung El Periódico, José Rubén Zamora. Ihm folgt mit Sonny Figueroa die eine Hälfte des investigativ arbeitenden Duos hinter dem Onlinemagazin Vox Populi. Die anderen heißen Marvin del Cid und der letzte des unbequemen Quartetts Óscar Clemente Marroquín.

Er ist langjähriger Redaktionsleiter der kritischen Tageszeitung La Hora und von den Analysten der Armee als „Risiko für die nationale Sicherheit“ deklariert worden. Warum? Weil das Quartett hartnäckig ihren Job macht und Korruption, Klientelismus und Missbrauch von öffentlichen Mitteln aufdeckt.

Dadurch haben sich die vier zu „Unbequemen“ gemacht, die in den Pressekonferenzen des noch amtierenden Präsidenten Alejandro Giammattei immer wieder auch persönlich angegriffen wurden.

Viele Schikanen und Angriffe gegen Jour­na­lis­t:in­nen

So wie Sonny Figueroa und Marvin del Cid, die Giammmattei abwertend als „El Combo“ bezeichnete. Das heißt so viel wie „Doppelpack“, ist in Guatemalas Imbissen eine gängige Bezeichnung für ein Essen inklusive Getränk. Den Begriff haben sich die beiden unbequemen Journalisten für ihren Youtube-Kanal zu eigen gemacht, wo sie als „El Combo“ auftreten.

Dort lief auch die journalistische Aufarbeitung zu der von Hackern geraubten Risikoanalyse aus dem Verteidigungsministerium. Sie basiert auf Daten von 2021 und 2022, wurde Anfang 2023 erstellt und im Juli von den Armeeservern heruntergeladen.

Zugespielt wurde das Dokument dem in Berlin lebenden Luis Assardo. Der guatemaltekische Datenjournalist hat Mitte Oktober in einem Artikel für das Onlineportal Medium das Material ausgewertet und an Figueroa und del Cid weitergegeben.

Die beiden arbeiten mittlerweile aus dem mexikanischen Exil, weil die Situation in Guatemala zu riskant ist. Das Dokument aus dem Verteidigungsministerium ist dafür nur ein weiterer Beleg.

Schikanen und Angriffe gegen Jour­na­lis­t:in­nen gibt es viele, wie die Menschenrechtsorganisation Udefegua alljährlich dokumentiert. „Die staatlichen Institutionen folgen den Weisungen von ganz oben – unter anderem vom Präsidenten“, erklärt Claudia Samayoa, Gründerin und langjährige Udefegua-Koordinatorin der taz.

Allerdings sind es nicht nur die vier genannten Journalist:in­nen, die auf diesen Listen stehen, sondern deutlich mehr, meint Héctor Reyes. „Unabhängige Redaktionen und Be­richt­erstat­te­r:in­nen sind angesichts der massiven Proteste, die Guatemala seit rund zwei Wochen in Atem halten, gefährdet“, so der CalDH-Jurist. Er leitet die landesweit aktive juristische Hilfs- und Menschenrechtsorganisation, die mehrere indigene Jour­na­lis­t:in­nen erfolgreich vor Gericht vertreten hat.

Druck auf Journalismus groß

„Kriminalisierung von oben“ lautet das Kernproblem, so Reyes. Er verweist auf den Fall von José Rubén Zamora, Gründer und langjähriger Herausgeber von El Periódico, der wegen angeblicher Geldwäsche zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und in Revision gehen will.

Doch das ist nur der prominenteste Fall. Generell sei der Druck auf journalistische Berufsverbände, kritische Publikationen wie Vox Populi, Plaza Pública oder No Ficción gestiegen, so Reyes und Samayoa. Das bestätigt auch Marvin del Cid, der erst im Sommer mit seinem Kollegen Figueroa auf Europatour war, um ein zweites Buch der beiden über die omnipräsente Korruption rund um den Präsidenten Alejandro Giammattei vorzustellen.

Auf der schwarzen Liste aus dem Verteidigungsministerium standen die Namen der beiden jedoch schon zuvor. Sie sind damit zwei von rund zwanzig im Exil lebenden guatemaltekischen Jour­na­lis­t:in­nen.

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2 Kommentare

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  • "Jour­na­lis­t:in­nen als „nationales Risiko“ eingestuft."

    Das sind sie tatsächlich in allen diktatorischen Staaten so. Russland ist ein gutes Beispiel.

  • Wenn es nur Guatemala wäre!



    In welchem Land Süd- und Mittelamerikas läuft es denn gut?



    Warum fliehen so viele Menschen, v.a. Junge, gen Norden? Weil die Gangs sie sonst umbringen. Argentinien - ein politischer Misthaufen seit Jahrzehnten. Don`t cry for me Argentina ...ja doch. Man könnte heulen, wenn man sieht wie sehr die Politik versagt.