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Kaum Chancen für Dopingopfer-RenteDOSB hat Angst vor der Geschichte

Mit kleinkarierten Argumenten wird die Rente für Dopingopfer bekämpft. Eine äußerst zwielichtige Rolle spielt dabei der Deutsche Olympische Sportbund.

Immer rein in die Vene. Bild: dpa

BERLIN taz | Zuweilen schnellt der Blutdruck von Uwe Trömer in lebensbedrohliche Bereiche hoch. Eigentlich müssten sie jetzt tot sein, stellte der Hausarzt des 51-Jährigen vor einem Jahr fest, nachdem er den Rekordwert 360/140 ermittelt hatte.

Um das linke Auge, dessen Sehkraft mehrmals schon komplett ausgefallen ist, kümmert sich regelmäßig der Neurologe. Und der Nephrologe sucht stets nach der richtigen Medikamentierung, um die Fettleber des einstigen Bahnradfahrers bestmöglichst zu behandeln, die sich durch den regelmäßigen Konsum von Anabolika gebildet hat.

„Die Medikamente wirken bei uns ehemals Gedopten völlig anders“, erklärt Trömer, der seit seinem Schlaganfall vor sechs Jahren keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen kann. „Nach einer Weile helfen plötzlich bewährte Präparate nicht mehr und müssen durch neue ersetzt werden. Das ist ein ständiges Herumexperimentieren.“

Zum medizinischen Experimentierfeld wurde Trömer erstmals, als sich das DDR-Regime seines Körpers bemächtigte. An ihm und an vielen anderen wurde schon im jugendlichen Alter ausprobiert, wie man mit biochemischer Unterstützung Körper schmieden kann, die verlässlich Medaillen gewinnen, um das internationale Ansehen der DDR zu mehren.

Schwarzer Urin

Im Fall von Trömer scheiterte das Experiment. Nach einer Spritzenkur in einem Trainingslager 1983 versagten beide Nieren. Es hätte ihm beinahe das Leben gekostet, weil die Verantwortlichen den Fall vertuschen wollten und ihm fast vier Wochen ärztliche Hilfe vorenthielten. Sein Urin war schon schwarz, sein Körper durch Wassereinlagerungen bis zur Unkenntlichkeit entstellt, als ein aus dem Urlaub zurückkehrender Sektionsarzt die Gefahr erkannte und ihn sofort ins Krankenhaus fuhr.

Wie Trömer leiden etliche ehemalige Leistungssportler an den Folgen des körperlichen Missbrauchs durch das DDR-Sportsystem. Seit Jahren wird deshalb immer wieder über die Notwendigkeit dauerhafter staatlicher Unterstützung für die Dauergeschädigten diskutiert.

Diese lässt sich aber auf der politischen Ebene kaum durchsetzen. Viola von Cramon, Bundestagsabgeordnete der Grünen, hat diese Erfahrung in den letzten zweieinhalb Jahren gemacht: „Wir haben alles eruiert und versucht, um einen interfraktionellen Antrag zur Einführung der Dopingopferrente zu ermöglichen.“ Als dann auch der Versuch scheiterte, nur mit der SPD auf einen Nenner zu kommen, habe man sich notgedrungen für einen Alleingang entschieden und den Antrag im Februar in den Bundestag eingebracht. Die Erfolgschancen sind entsprechend gering.

Rente kein geeignetes Instrument

Bei der CDU ist etwa der Bundestagsabgeordnete Klaus Riegert der Auffassung, mit der einmaligen Auszahlung von knapp 10.500 Euro, die aufgrund des im Jahr 2002 verabschiedeten Dopingopferhilfegesetzes 194 staatlich anerkannten Dopingopfern zugutekam, sei „das Thema durch“. Die Rente sei für Dopingopfer nicht das geeignete Instrument.

Michael Gerster, der sportpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, erklärte gegenüber der taz: „Grundsätzlich sind wir für eine Rente. Der von den Grünen geforderte Mindestbetrag von monatlich 200 Euro erscheint aber zum Beispiel im Verhältnis zu den Renten, die ehemalige Stasigefangene beziehen [250 Euro bei einer Mindesthaftdauer von 180 Tagen; Anmerkung der Redaktion] unverhältnismäßig hoch.“

Doch wie rechnet man das Leid der einen gegen das Leid der anderen auf? Uwe Trömer erklärt: „Das geht nicht. Leid ist relativ.“ Er kämpft seit Jahren im Doping-Opfer-Hilfe-Verein (DOHV) engagiert für die Rente. Der finanzielle Aspekt ist für ihn zweitrangig. „Die Rente“, sagt er, „wäre ein kleiner symbolischer Erfolg für die traumatisierten Menschen“.

Grenze der psychischen Belastbarkeit

Er denkt dabei etwa an Schwimmerinnen und Leichtathletinnen, die bereits mit 12 Jahren männliche Sexualhormone verabreicht bekamen, später nicht mehr zeugungsfähig waren oder behinderte Kinder zur Welt gebracht haben. Zurzeit telefoniert er eine Liste von 400 Dopingopfern ab, die dem DOHV bekannt sind, um einen Überblick über die derzeitige Situation zu gewinnen. „Die Geschichten gehen oft an die Grenze meiner psychischen Belastbarkeit“, sagt Trömer.

Die politische Debatte darüber scheint unterdessen wieder einmal an kleinkrämerischen Geldverteilungsfragen zu ersticken. Die Gefahr, es könnte Trittbrettfahrer geben, und auch die, dass Krankheitsbilder kausal nicht zweifelsfrei auf Doping zurückzuführen seien, wurden ebenfalls gegen die Dopingopferrente ins Feld geführt.

Das Geld sei nicht das eigentliche Problem, glaubt von Cramon. Es handle sich ja um eine nur sehr kleine Gruppe von Menschen, die die Rente beziehen würden. Sie vermutet vielmehr eine grundsätzliche Scheu unter den Abgeordneten der großen Parteien vor der Konfrontation mit der Vergangenheit des DDR-Sportsystems.

DOSB „bremst“ Abgeordnete

„Da kämen gewiss viele Fragen auf zu Funktionären und Trainern, die damals am Dopingsystem beteiligt waren und heute noch in Amt und Würden sind.“ Der dafür mit in der Verantwortung stehende Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) „hat möglicherweise den ein oder anderen Abgeordneten gebremst“.

Der Einfluss des DOSB auf den Sportausschuss im Bundestag ist hinlänglich bekannt. Einige der dort sitzenden Abgeordneten haben zugleich bei den Sportverbänden ihre Pöstchen inne. Sie seien „eher Vollzieher des Verbändewesens“, hat einmal der Politikwissenschaftler und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Gerd Langguth geschrieben.

Dabei versichert Michael Vesper, der Generaldirektor des DOSB, der taz, man setze sich seit Jahren für die Dopingopferrente ein. Der Antrag der Grünen weise entsprechend in die richtige Richtung. Der DOSB habe direkt nach seiner Gründung 2006 die überfällige Entschädigung der DDR-Dopingopfer in Form einer einmaligen Auszahlung umgesetzt.

Und Versper beteuert, er persönlich habe die Nachfolger von Jenapharm überzeugen können, ebenfalls eine Entschädigungszahlung zu leisten. Des Weiteren habe der DOSB auch auf politischer Ebene versucht, Dauerzahlungen zu etablieren. Vesper behauptet gar, ein Expertengespräch im Mai 2011, das den Anstoß zu der politischen Gesetzesinitiative der Grünen gab, habe auf Initiative des DOSB stattgefunden.

Grüne bezichtigt DOSB der Lüge

Viola von Cramon ist bass erstaunt ob dieser Darstellung: „Das ist schlicht die Unwahrheit.“ Die Bundestagsabgeordneten hätten zu dem Expertengespräch eingeladen. Und sie fügt hinzu: „Es ist nicht so, dass der DOSB in dieser Angelegenheit tätig geworden ist. Im Gegenteil. Man kann froh sein, dass der DOSB das Ganze nicht verhindert hat.

Uwe Trömer wundert sich nicht über all diese Ungereimtheiten: „Der DOSB sagt 'ja' und meint 'vielleicht' oder 'nein'.“ Bei allem bekundeten Respekt vor den Dopingopfern scheint beim deutschen Dachsportverband die Angst vor einer konsequenten Aufarbeitung der Vergangenheit, die auch viele Stützen des Systems ins Wanken bringen könnte, zu überwiegen. „Wenn der DOSB gewollt hätte“, so Trömer, „hätte er mehr machen können.“ Dies betrifft auch den Versuch, ein interfraktionelles Bündnis im Bundestag zu formen.

Vor zwei Jahren stellte sich selbst noch die CDU-Abgeordnete Karin Strenz auf die Seite von Viola von Cramon, forderte eine Dopingopferrente und sagte: „Ich glaube, es wäre eine Bankrotterklärung, es nicht wenigstens zu versuchen.“ Am Donnerstag lehnte sie eine Stellungnahme zum indes Thema ab.

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4 Kommentare

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  • CK
    Christian Klaue

    Es ist richtig, dass Gerhard Treutlein sich um die aktive Mitarbeit des Ehepaars Krieger bemüht hat. Da es sich hierbei aber um das Präventionsprojekt der dsj im DOSB handelt, und Gerhard Treutlein hier dankenswerterweise bei der Gestaltung des Projektes mitwirkt, ist das schlicht nicht zu trennen. Fakt ist - und dafür danken wir Herrn und Frau Krieger - das Ehepaar arbeitet beim Präventionsprojekt der dsj „Sport ohne Doping“ mit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger haben wir gesagt.

     

    Christian Klaue, DOSB-Pressesprecher

  • AK
    Andreas Krieger

    Zitat:...Der DOSB hat Dopingopfer in seine Dopingopferpräventionsprogramme eingebunden. Die Doping-Opfer Andreas und Ute Krieger sind als Referent/-in im Kernpool Dopingprävention der Deutschen Sportjugend (dsj), die innerhalb des DOSB für Prävention verantwortlich ist, seit dessen Gründung im Jahr 2010 tätig. Die dsj bietet Schulungsmaßnahmen mit 4-8 Lerneinheiten für Trainer/Innen und Multiplikator/Innen an. Neben seiner aktiven Mitarbeit in den Qualifizierungsmaßnahmen ist das Ehepaar Krieger aufgrund seiner Erfahrungen darüber hinaus in die Weiterentwicklung der Lehrmaterialien eingebunden.

    ...Zitat-ende.

     

    Es tut mir sehr leid, hier widersprechen zu müssen. Die Ehre gebührt hier nicht dem DOSB sondern allein Prof. Dr. Gerhard Treutlein vom Zentrum für Dopingprävention.

    Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass meine Frau und ich heute aktiv in der Dopingprävention der Deutschen Sportjugend tätig sind.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Ute und Andreas Krieger

  • CK
    Christian Klaue

    Der Vollständigkeit halber sei hier die komplette Antwort von DOSB-Generaldirektor Michael Vesper auf die Fragen des Autors hinterlegt.

     

    Korrigieren müssen wir allerdings unsere Antwort auf die Frage, wer Initiator des Treffens am 24. Mai 2011 war. Dies ging nicht auf den DOSB zurück, sondern auf die Bundestagsabgeordneten. Dieses Versehen bitten wir zu entschuldigen.

     

    Christian Klaue, Pressesprecher DOSB

     

    Die Fragen der taz und unsere Antworten:

     

    1. Frage: Im Jahre 2009 hat der DOSB dem Dopinghilfeopferverein die Zusage gemacht, ihm bei der Durchsetzung der Dopingopferhilfe behilflich zu sein (FAZ, 2.7.2009). Wir, die taz, würden gern wissen, welche Anstrengungen der DOSB diesbezüglich unternommen hat?

     

    Der DOSB hat gleich nach seiner Gründung 2006 die überfällige Entschädigung der DDR-Dopingopfer durch den Sport umgesetzt.

     

    Darüber hinaus habe ich die Nachfolger von Jenapharm überzeugen können, dem Vorbild des DOSB zu folgen und eine eigene Entschädigungsleistung in gleicher Höhe zu treffen. Parallel habe ich die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries angeschrieben und darauf hingewiesen, dass über die Einmalhilfe hinaus regelmäßiger Finanzbedarf besteht, um z. B. die gesundheitliche Versorgung der Opfer sicherzustellen. Aus DOSB-Sicht könne das Opferentschädigungsgesetz (OEG) eine geeignete Rechtsgrundlage für solche Dauerzahlungen darstellen.

     

    Die damalige Bundesregierung ließ offen, ob das Anliegen durch gesetzgeberische Klarstellung des Opferentschädigungsgesetzes erfüllt werden oder ob koordinierte administrative Maßnahmen ausreichen könnten.

     

    Da die Fragestellung durch die vorherige Bundesregierung nicht entschieden aufgegriffen worden war, hat der DOSB anlässlich einer Unterredung im Bundesjustizministerium in 2010 eine neue Initiative zur Einbeziehung von Dopingopfern ins Opferentschädigungsgesetz gestartet. Das BMJ hat im Nachgang zu dem Gespräch allerdings schriftlich darauf hingewiesen, dass man eine federführende Zuständigkeit im BMAS sieht.

     

    Der DOSB hat fortlaufend Kontakt zu Vertretern den Dopingopfern unterhalten. Am 24. März 2011 kam es zu einer gemeinsamen Unterredung im BMAS. Hierbei ging es sowohl um die persönliche Situation der in das Gespräch eingebundenen Dopingopfer als auch um Möglichkeiten, im Rahmen des bestehenden Rechts entsprechende Rentenzahlungen zu gewähren.

     

    Mit Datum vom 24. Mai 2011 hat auf Initiative des DOSB ein Expertengespräch mit Bundestagsabgeordneten stattgefunden, das Lösungsansätze u. a. in der Rentenfrage diskutierte und in der Absicht mündete, eine Gesetzesinitiative zu starten. Hieraus resultierte u.a. ein Schreiben der sportpolitischen Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12. Dezember 2011, in dem dem DOSB für sein langfristiges Engagement für das Anliegen der Dopingopfer gedankt und der Hoffnung Ausdruck verliehen wurde, eine interfraktionelle Initiative realisieren zu können. In diesem Sinne ist die aktuelle Forderung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag zum Deutschen Bundestag (17/12393) auf monatliche Unterstützung der Opfer des Dopings in der DDR vom 27. Februar 2013 zu verstehen.

     

     

    2. a) Setzt sich der DOSB nach wie vor für die Dopingopferrente ein? und b) begrüßt er entsprechend den Vorstoß der Grünen, die im Bundestag vor wenigen Wochen einen Antrag zur Durchsetzung der Dopingopferrente eingereicht haben?

     

    Wie unter 1. ausgeführt hat sich der DOSB seit 2006 wiederholt gegenüber Bundesregierung und Bundestag für Verbesserungen für die Dopingopfer eingesetzt. Insofern weist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in die richtige Richtung. Dazu zählt auch, dass in dem Antrag u.a. die finanzielle und inhaltliche Unterstützung zum Aufbau und Unterhalt eines Dopingopferarchives gefordert wird. Hierzu hat der DOSB bereits einen Beitrag geleistet.

     

    3. Laut Herrn Trömer vom Dopingopferhilfeverein hat der DOSB in Weimar in einem Zehn-Punkte-Plan beschlossen, Dopingopfer in ein Dopingopferpräventionsprogramm miteinzubinden. Das sei aber nie geschehen. Stimmt das? Und warum wurde das nicht umgesetzt?

     

    Der DOSB hat Dopingopfer in seine Dopingopferpräventionsprogramme eingebunden. Die Doping-Opfer Andreas und Ute Krieger sind als Referent/-in im Kernpool Dopingprävention der Deutschen Sportjugend (dsj), die innerhalb des DOSB für Prävention verantwortlich ist, seit dessen Gründung im Jahr 2010 tätig. Die dsj bietet Schulungsmaßnahmen mit 4-8 Lerneinheiten für Trainer/Innen und Multiplikator/Innen an. Neben seiner aktiven Mitarbeit in den Qualifizierungsmaßnahmen ist das Ehepaar Krieger aufgrund seiner Erfahrungen darüber hinaus in die Weiterentwicklung der Lehrmaterialien eingebunden. Darüber hinaus hat der DOSB auch gegenüber der unabhängigen Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) angeregt, Dopingopfer in die dortigen Präventionsmaßnahmen einzubinden.

  • S
    saalbert

    "Es hätte ihm beinahe das Leben gekostet..." - Nein, "ihn".

    "Viola von Cramon, Bundestagsabgeordnete der Grünen... Dabei versichert Michael Vesper, der Generaldirektor des DOSB, der taz, man setze sich seit Jahren für die Dopingopferrente ein." - Frau Cramon weiß sicher, aus welchem Laden der Lügner Vesper kommt, aus ihrem eigenen nämlich.

    "Am Donnerstag lehnte sie eine Stellungnahme zum indes Thema ab." - Das wäre indes ein Thema.