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Kaum AufklärungTürkische Mütter schweigen zum Sex

Geschlechtsverkehr, Verhütung, Regelblutung: Nur 16 Prozent der türkischstämmigen Mädchen werden laut einer Studie von der Mutter aufgeklärt.

Aufklärung tut Not: Türkinnen in Berlin Bild: dpa

Mit zwölf Jahren verschlug es Nursen Aktas aus der Osttürkei in die Bundesrepublik. In eine Welt, die so anders war als diejenige, die ihre Eltern geprägt und in der sie ihre Kindheit verbracht hatte. Mit der Mutter über Liebe und Sexualität zu sprechen, das war undenkbar. Nicht mal über das Auftreten der Menstruation habe sie mit ihr reden können. "Erschreckend ist, dass sich bis heute für die meisten Mädchen aus türkischstämmigen Familien nichts geändert hat", sagt die mittlerweile 47-jährige Sozialarbeiterin und Sexualpädagogin.

Seit fast 20 Jahren arbeitet Aktas bei Pro Familia in Berlin. Ihre Aufklärungsarbeit versteht sie als einen "emanzipatorischen Ansatz, denn Wissen ist die Grundlage für selbstbestimmtes Handeln". Sie hilft dabei, eine Lücke zu füllen: Während 70 Prozent der deutschen Mädchen ihre Mütter als erste Ansprechperson wählen, beziehen laut einer Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nur 16 Prozent der türkischen Mädchen ihr Wissen über Liebe und Sexualität von ihren Müttern. Dabei tut Aufklärung not, wie Pro Familia und das Zentrum für Türkeistudien am Dienstag in Essen anhand von Zahlen belegten. Danach rangiert bei den Verhütungsmethoden türkischer Paare der vor dem Höhepunkt abgebrochene Geschlechtsverkehr - bekanntlich keine wirksame Verhütungsmethode - mit 38 Prozent auf Rang eins. Mit deutlichem Abstand folgen Pille mit 28, Kondom mit 21 und Spirale mit 18 Prozent.

"Es gibt nach wie vor gravierende Unterschiede zwischen deutschen und türkischen Menschen im Umgang mit Sexuellem", sagt Aktas. So falle bei ihrer sexualpädagogischen Arbeit mit Schulklassen immer wieder auf, dass türkische Mädchen im Vergleich zu deutschen viel weniger über weibliche und männliche Anatomie und Sexualität wissen. "Die Unwissenheit ist riesengroß", sagt Aktas. "Viele sitzen dann hier und sagen: 'Bei uns ist es anders' oder: 'Das gibt es bei uns nicht'." Ob vorehelicher Geschlechtsverkehr, Homosexualität oder sexueller Missbrauch: In den Augen vieler türkischer Jugendlicher dürfen diese Realitäten das ihnen anerzogene tradierte Ordnungssystem nicht stören. Besonders von türkischstämmigen Jungen höre sie oft dieselbe Frage: "Weiß eigentlich Ihr Mann, was Sie hier für einen Job machen?" Aktas sieht ihre Aufgabe darin, junge Türkinnen und Türken zu ermutigen, Traditionen zu hinterfragen und eigenen Erfahrungen Raum zu geben. Sie selbst klärte sich einst heimlich in der Bravo auf.

Über 430.000 Ratsuchende besuchten im vergangenen Jahr Einrichtungen von Pro Familia oder nahmen an ihren sexualpädagogischen Programmen teil. Davon waren 70 Prozent Frauen und Mädchen, 30 Prozent Männer und Jungen. Der Anteil von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft betrug 15 Prozent. Eigentlich kein schlechter Wert, doch er täuscht. "Die meisten Frauen mit Migrationshintergrund kommen nur wegen der Pflichtberatung zum Schwangerschaftsabbruch zu uns", erläutert Anna Imhoff-Köprülü von Pro Familia in Köln. Oder um einen Antrag auf Hilfe zur ersten Babyausstattung zu stellen. Vorsorgliche und psychosoziale Angebote würden hingegen so gut wie gar nicht Anspruch genommen.

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2 Kommentare

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  • S
    seychelle

    Abgesehen von meiner Kritik zum abgebildeten Foto, welches null Zusammenhang zum Artikel hat, würde ich außerdem gerne wissen wie viele deutsche, französische, englische, spanische, portugiesische Mütter nicht mit ihren Kindern über Sex reden? Und übrigens: was ist mit den Vätern??? Das ein größerer Teil türkischer Mütter nicht mit ihren Kindern über Sex spricht, hat natürlich einen kulturellen Hintergrund, der hier außen vor gelassen wird. Ein näherer Eingang darauf hätte den Artikel nicht in diese simple Klischeekategorie verworfen!

  • S
    seychelle

    Gibt es in Deutschland und in deutschen Köpfen nur ein Kopftuch-Bild der türkischen Frau??? Wo man hinschaut werden türkische Frauen nur noch mit Kopftüchern, wallenden Gewändern in Gr. 50 etc. abgedruckt!!!! Auch wenn sie mittlerweile eine große Mehrheit ausmachen, gibt es doch auch glücklicherweise eine andere türkische Frau, die im Straßen- und Alltagsbild völlig untergeht!!!! Schade! Wirklich sehr schade. Liegt es daran, dass man sie doch gerne nur als unterdrückte Hausfrau sehen möchte, damit man sie bemitleiden kann? Denn auf gleicher Höhe und Position könnte sie einem doch gefährlich oder zur Konkurrenz werden?

     

    Ich kann das vermittelte Bild nicht mehr sehen. Ob im Fernsehen, Zeitung etc. überall dasselbe Bild. Wieso berichtet eigentlich nie jemand über Frauen, die selbständig sind, auf eigenen Beinen stehen und sehr gut zurecht kommen?? Und nicht weil sie das hier in Deutschland gelernt haben, sondern von Natur aus so sind-nur weil zumeist ungebildete Dorfbewohner sich in Deutschland tummeln, ist dies nicht auf die Gesamtbevölkerung zurückzuführen!

    Denkt mal nach!!!!!