Katrin Göring-Eckardt zu Strompreisen: „Die CDU schürt Ängste“
Stromkonzerne verdienen kräftig an der EEG-Umlage. Die Grüne Spitzenkandidatin will deshalb Spartarife für stromsparende Haushalte.
taz: Frau Göring-Eckardt, ist die Energiewende der Grünen unsozial?
Katrin Göring-Eckardt: Das ist Unfug.
Das Klischee lautet: Die Grünen kümmern sich um die Bio-Boheme, die sich Solarzellen aufs Hausdach baut. Aber nicht um die hohe Stromrechnung des Harz IV-Empfängers.
Unsere Vorschläge für eine konsequente Energiewende berücksichtigen sehr wohl soziale Aspekte. Und sie lagen übrigens schon lange auf dem Tisch, bevor Peter Altmaier seine Ideen präsentierte.
Der CDU-Umweltminister möchte hohe Strompreise senken und hat das Thema besetzt. Ärgert Sie das?
Da bleibe ich ganz gelassen. Altmaier gibt sich zwar einen sozialen Anstrich, aber er zielt lediglich auf Überschriften. Ihm geht es nicht um echte Veränderungen. Überall, wo Konkretes wichtig wäre, flüchtet er sich in schwammige Formulierungen.
ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl 2013. Seit 2007 ist sie Vizepräsidentin des Bundestages, dem sie seit 1998 angehört. Geboren wurde sie 1966 in Friedrichroda/Thüringen, hat in Leipzig Theologie studiert und war 1989 beim Demokratischen Aufbruch dabei. Sie engagierte sich nach dem Fall der Mauer 1990 in der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt. 2009 wurde Göring-Eckardt zur Vorsitzenden der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands gewählt.
Er möchte Privilegien für energieintensive Firmen streichen. Das wollen Sie auch, oder?
In Altmaiers Papier findet sich dazu nur ein einziger allgemeiner Satz. Seine Koalition beschloss das Gegenteil: 2009 änderte Schwarz-Gelb das von Rot-Grün eingeführte Gesetz, seitdem dürfen deutlich mehr Firmen Ermäßigungen beanspruchen als zuvor. Würde die Koalition allein diese Änderung rückgängig machen, sänken die Strompreise sofort um 1 Cent pro Kilowattstunde. Sie wird es aber nicht tun.
Altmaier zielt auf einen absurden Effekt. Wenn die Preise an der Strombörse durch viel Ökostrom fallen, steigt eine Umlage, die auf alle Endverbraucher verteilt wird und die Preise erhöht.
Das Problem ist, dass seine Vorschläge untauglich sind. Altmaier plant etwa, neuen Windkraftanlagen die Ökostrom-Vergütung erst mit Verzögerung zu gewähren. Welcher Investor baut angesichts einer unsicheren Rechtslage noch? Solche Ankündigungen sind nicht sozial, sondern sie gefährden Arbeitsplätze. Etwa in Ostdeutschland, wo inzwischen ganze Branchen samt Zulieferern von erneuerbaren Energien abhängig sind. Richtig wäre, wenn die Energiekonzerne die niedrigen Börsenpreise an die Verbraucher weitergeben würden.
Wie das? Unternehmen sind frei in ihrer Preisgestaltung.
In jeder anderen Branche werden Produkte günstiger, wenn der Rohstoffpreis sinkt – nur auf dem Strommarkt nicht. Die Großversorger entziehen sich also dem Wettbewerb. Es braucht ein neues Konzept für die Umlage im Erneuerbaren-Energien-Gesetz, welches die Unternehmen zur Weitergabe günstiger Einkaufspreise zwingt.
Die SPD möchte lieber die Stromsteuer senken, um arme Menschen zu entlasten.
Eine Befreiung von der Stromsteuer werden die Firmen nicht an ihre Kunden weitergeben. Sondern sie werden damit lieber ihre Gewinnmargen erhöhen. Außerdem diffamiert eine Senkung der Stromsteuer arme Menschen. Hartz-IV-Empfänger müssten sich ja zum Beispiel bei den Stadtwerken als Leistungsbezieher outen.
Was ist Ihr Gegenvorschlag?
Die Grünen schlagen intelligent abgestimmte Spartarife vor. Haushalte und kleine Mittelständler, die wenig Strom verbrauchen, zahlen einen niedrigeren Tarif. Haushalte und Konzerne, die mehr Strom verbrauchen, zahlen einen höheren.
Nutzt das armen Leuten? Sie wohnen oft in schlecht isolierten Mietswohnungen mit altmodischen Herden.
Man muss Energie- und Stromverbrauch auseinanderhalten. Menschen mit niedrigen Einkommen sparen sehr bewusst Strom, gerade weil sie Furcht vor der nächsten Rechnung haben. Der Spruch, dass bei Hartz-IV-Empfängern ständig der Fernseher laufe, stimmt nicht.
Und die schlecht isolierte Wohnung?
Die ist ein echtes Problem. Wenn man alle Energiearten zusammenzählt, also etwa die Heizung dazurechnet, dann gilt: Arme Menschen verbrauchen oft mehr Energie. Die Heizung ist teurer als Strom, weil die im Zweifel mit Erdöl läuft. Die Grünen plädieren für einen Energiesparfonds, aus dem Kommunen Mittel für die energetische Sanierung bekommen können. Und wir wollen das Wohngeld zu einem Klimawohngeld weiterentwickeln.
Der Strompreis-Streit geht also am Kern des Problems vorbei?
Ja. Die Leute leiden nicht unter dem Stromverbrauch, sondern unter dem Energieverbrauch. Die CDU vermengt beides. Sie schürt Ängste bei armen Menschen, bietet aber keinerlei Lösungen für die drängenden Probleme an. Das ist das Infame an der Debatte.
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