Katholiken und AfD: Das Tischtuch ist endgültig zerrissen
Die rechtspopulistische Partei wurde nicht zum Leipziger Gläubigentreffen eingeladen. Jetzt eskaliert der Streit mit der Katholischen Kirche.
Erlöste Christenmenschen sollten ja eigentlich keine Angst mehr haben, aber auf diesem großen Christentreffen mit rund 32.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern lagen die Nerven in Sachen Gefahr von rechts blank. Genauer: Das Thema des neuen Rechtspopulismus in Deutschland verschaffte dieser großen Versammlung der gläubigen Menschen katholischer Konfession nicht nur eine unerwartet große mediale Aufmerksamkeit. Sondern auch einen handfesten Konflikt mit Leuten, deren Umfeld man alles zutraut.
Schon im vergangenen Herbst entschloss sich der Ausrichter des Katholikentages, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), AfD-Funktionäre nicht zu Podien nach Leipzig einzuladen. Der neue ZdK-Präsident Thomas Sternberg variierte auf dem Katholikentag immer wieder die gleichen Worte: dass man der AfD kein Podium geben wolle, um ihre ausländerfeindlichen, antiliberalen, antihumanen und am Ende antichristlichen Sprüche klopfen zu können. Schließlich gehe es in Leipzig um einen echten Dialog auf den Podien, so Sternberg – und nicht um Showveranstaltungen oder Talkshows. Überall im AfD-Programm fänden sich Ressentiments gegen Menschen, betonte Sternberg. „Menschenverachtende Positionen haben aber auf dem Katholikentag keinen Platz.“
Allerdings hatte Sternberg, der für die CDU im Landtag von NRW sitzt, bereits in der Beilage „Christ und Welt“ der Wochenzeitung Die Zeit mit seinem ehemaligen Parteifreund Alexander Gauland gestritten, der übrigens aus Familientradition, wie er sagt, immer noch in der evangelischen Kirche ist. Dabei sagte Sternberg, „in vielen Punkten“ sei die AfD für ihn „absolut“ eine unchristliche Partei.
Empörung bei Laien und Klerikern
Jedenfalls hat die Nicht-Einladung von AfD-Funktionären nach Leipzig das Tischtuch zwischen der katholischen Kirche und den Rechtspopulisten endgültig zerrissen. Besonders ausfallend wurde der bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron: Er warf den beiden Volkskirchen vor, sie machten ein „Milliardengeschäft“ mit ihren Hilfen bei der Flüchtlingskrise – und das noch „unter dem Deckmantel der Nächstenliebe“. Marcus Pretzell, der Lebensgefährte der Parteichefin Frauke Petry und Chef des NRW-Verbandes der Partei, setzte noch einen drauf: Die katholische Kirche sei eigentlich ein „Asylindustrieverband“. Deshalb lehne sie das direkte Gespräch mit der AfD ab – aus Angst vor „Geschäftsschädigung“.
Am Sonntag äußerte sich auch Frauke Petry selbst im Deutschlandfunk zu diesem Thema. Es scheine ihr offensichtlich, dass „die Kirche eine Art modernen Ablasshandel betreibt, gerade in der aktuellen Flüchtlingskrise“, sagte Petry. Es gebe eine starke Verflechtung in die Aufnahme von Flüchtlingen, das Bereitstellen von Räumlichkeiten und „damit natürlich eine Partizipation an den staatlichen Mitteln“. Dass die AfD von den Podien des Katholikentags in Leipzig ausgeschlossen wurde, nannte Petry ein „unchristliches Verhalten sondergleichen“. Sie habe gelernt, dass die Türen der Kirche für jedermann offen seien.
Die Anwürfe, die Kirchen betrieben Geschäftemacherei mit den Flüchtlingen, sorgten für Empörung bei Laien und Klerikern. Der Sprecher der Bischofskonferenz nannte die Bystron-Vorwürfe schlicht „Gequatsche“ und „unreflektiertes Gerede“. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sprach von einer Unverschämtheit. Kardinal Woelki sagte, eine solche Äußerung spreche für eine „gestörte Realitätswahrnehmung“ der AfD. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der in Sachen Flüchtlingskrise oft mit der Kirche über Kreuz liegt, sprang ihr bei und verurteilte die AfD-Äußerungen als eine „Beleidigung“ für die christlichen Helferinnen und Helfer.
Es hat sich einiges zusammengebraut in der AfD. Aber auch im rechtskatholischen Milieu. Zwar gibt es Studien, wonach Kirchenmitglieder unter den Anhängern der AfD im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung unterrepräsentiert sind. Aber die gerade unter Rechtspopulisten populäre Verherrlichung der traditionellen Familie sowie die Verurteilung von Homosexualität und Gender-Theorie ist für ultrakonservative Christinnen und Christen durchaus attraktiv.
Da ist zum Beispiel die Publizistin Gabriele Kuby, deren Vater der Schriftsteller Erich Kuby war. Gabriele Kuby ist Kuratoriumsmitglied im rechtskatholischen „Forum Deutscher Katholiken“, denen der ganze liberale und plurale Katholikentag-Schmonzes seit Jahren im Kern auf den Geist geht. Kuby profiliert sich als Verteidigerin der möglichst großen katholischen Vater-Mund-Kinder-Familie und fühlt sich auch in der Gesellschaft von „Front National“- und FPÖ-Rechtspopulisten nicht unwohl.
Der Politikwissnschaftler Andreas Püttmann war einst selbst ein Vertreter dieses rechtskonservativen Milieus, allerdings eher in theologisch-liturgischer Hinsicht. Er entstieg der schwarz-braunen Suppe katholischen Geschmacks nicht zuletzt deshalb, weil ihn die Affäre um den früheren Protzbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst anwiderte. Der Limburger Oberhirte war eine Galionsfigur der reaktionären katholischen Kreise und konnte sich auch deshalb trotz immer neuer Enthüllungen über seine skandalöse Verschwendungssucht noch so lange im Amt halten.
Nazi-Beschimpfungen sind kontraproduktiv
Püttmann, vom Saulus zum Paulus geworden, warnte bei der Podiumsdiskussion mit der scheinbar gefährlichen Tasche im Konzertfoyer der Leipziger Oper, dass es eine Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte gebe, in der viele keine Probleme mehr hätten, mit der AfD zu kooperieren. Es sei allerdings eher kontraproduktiv, die AfD als Nazis zu beschimpfen. Vielmehr erinnere sie an die nationalkonservative Revolution, die in der Weimarer Republik auch mithilfe antiliberaler, antidemokratischer Katholiken die Demokratie „sturmreif geschossen“ habe, so dass die NSDAP 1933 recht leichtes Spiel gehabt habe.
Solche Kreise sind in der katholischen Kirche hierzulande nur noch mit der Lupe zu finden. Aber es gibt sie noch, und ihr Feld ist eher die Gesellschaftspolitik: Püttmann spricht von einem „ideologischen Familismus“ in ultrakonservativen katholischen Kreisen, die gern auf der österreichischen Internet-Plattform „kath.net“ publizieren – so wie der Politologe es früher auch tat. Der Ton ist dort mittlerweile so rau, dass es selbst dem sehr konservativen Passauer Bischof Stefan Oster vor gut einem Jahr zu bunt wurde: Er kritisierte bei kath.net eine „Komplexitätsreduktion“, bei der nur noch in „schwarz und weiß oder gut und böse“ argumentiert werde, sowie eine Zunahme der Polarisierung und persönlichen Diffamierungen.
Tatsächlich haben die deutschen katholischen Bischöfe immer wieder mit einem politisch ultrarechten katholischen Milieu zu tun, das es gut versteht, enormen Druck auf sie auszuüben, auch dank gelegentlicher Protektion ähnlich denkender Kreise im Vatikan. In Deutschland gibt es beispielsweise die Katholiken-Vereinigung „Gesellschaft für Tradition, Familie und Privateigentum“, die eine Homepage betreibt, bei der man nicht mehr weiß, ob man weinen oder lachen soll. Ähnlich ist es bei dem „Pforzheimer Kreis“, der als AfD-nah gilt und sich als christlich begreift. Auch im freikirchlich-evangelikalen Milieu sind solche Stimmen zu hören, gelegentlich etwa in der Publikation „idea spektrum“ oder bei Parteiversammlungen der AfD.
Immerhin: Gegen die AfD-affine Pegida-Bewegung und ihre jeweiligen örtlichen Ableger haben sich mittlerweile viele katholische Bischöfe klar positioniert. Die Oberhirten von Köln und Erfurt, Kardinal Rainer Maria Woelki und Ulrich Neymeyr, ließen ihre Dome bei Demonstrationen der Rechtspopulisten vor ihren Türen unbeleuchtet oder ließen die Großkirchen verdunkeln. Wie weh solche Zeichen dem AfD-Spitzenpersonal tat, zeigt eine Aussage der thüringischen AfD-Abgeordneten Wiebke Muhsal, die in Folge der Verdunklung der Dome von „verrotteten Funktionsträgern“ der Kirche sprach.
Ihr Fraktionschef Björn Höcke fand ein Lutherzitat, das er gegen die Kirche münzte: „Man muss dem Teufel das Kreuz in Angesicht schlagen, so weiß er, mit wem er umgeht.“ Selbst der eher distinguierte AfD-Mitgründer und Vizesprecher Alexander Gauland sagte kürzlich, das bischöfliche Licht-Ausknipsen sei der Versuch gewesen, „uns mundtot zu machen“. Man könne ja verschiedene Positionen vertreten, „aber das Domlicht auszuschalten, das ist feige“. Übrigens hat Gauland in der „taz“ noch bis vor wenigen Jahren Debattenbeiträge geschrieben.
Christliche Kritik an der AfD
Natürlich ist es nicht schön, aber auch nicht besonders verwunderlich, dass es bei immer noch über 47 Millionen Christinnen und Christen hierzulande auch eine Vereinigung „Christen in der AfD“ gibt. Als jüngst ein angeblicher Bischof aus Malta mit einem irgendwie katholisch klingendem Titel einen Gottesdienst auf dem Stuttgarter Parteitag der AfD feierte, distanzierte sich die deutsche Bischofskonferenz offiziell von diesem Ereignis: Dieser Pseudo-Oberhirte habe nichts mit der katholischen Kirche zu tun. Gerade nach dem Stuttgarter Parteitag der Rechtspopulisten mit ihrem Kernsatz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ hagelte es christliche Kritik an der AfD.
Der Streit mit der AfD hat der Kirche geholfen, ihre Reihen zu schließen. Dennoch zeigte man sich unter den ZdK-Mitgliedern auf dem Katholikentag am Ende nicht so sicher, ob diese öffentliche Keilerei nicht zu viele andere, wichtigere Botschaften des christlichen Großereignisses überdeckt habe. Aber klar ist auch: Der Katholikentag in Leipzig und die katholische Kirche insgesamt haben durch diesen Konflikt an Profil gewonnen: ein streitbares.
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