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Kasachstans Präsident tritt zurückAutokrat geht – ein wenig

Dauerherrscher Nursultan Nasarbajew, seit 1991 an der Macht, behält auch künftig wichtige Ämter. Ob sich etwas ändert, ist fraglich.

Will trotz Rücktritts weiter die Fäden ziehen: Kasachstans Nochpräsident Nursultatn Nasarbajew Foto: reuters

BERLIN taz | Die Nachricht hatte es in sich: Kasachstans autoritärer Präsident Nursultan Nasarbajew tritt zurück. Das gab der 78-jährige Dauerherrscher des bevölkerungsreichsten zentralasiatischen Staates am Dienstag in einer Fernsehansprache bekannt. Diese Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen. Schließlich hätten er und seine Mitstreiter Kasachstan auf die Landkarte gebracht – ein Land, das es so nie gegeben habe. Doch die Welt ändere sich und es ­träten neue Generationen auf den Plan, die die Probleme ihrer Zeit lösen würden, sagte Nasarbajew.

Die Befugnisse des Staatschefs wird jetzt bis zu den nächsten Präsidentenwahlen der Vorsitzende des kasachischen Oberhauses (Senat), Kassym Jomart-Tokajew, übernehmen, der ein enger Vertrauter Nasarbajews ist. Die Abstimmung soll im Dezember 2020 stattfinden.

Nasarbajew hatte das höchste Staatsamt seit der Unabhängigkeit des Landes mit 18,7 Millionen Einwohnern im Jahr 1991 inne. Bereits zu Sowjetzeiten hatte er erheblichen Einfluss auf die Politik. Von Juni 1989 bis August 1991 war er Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik, 1990 Präsident der Kasachischen Sowjetrepublik. 1991 wurde er zum ersten Staatschef des unabhängigen Kasachstan gewählt, es gab keinen Gegenkandidaten.

Gerüchte über einen möglichen Rückzug Nasarbajews, unter dessen Ägide hart gegen Regimekritiker und oppositionelle Medien vorgegangen wird, hatte es schon länger gegeben. Am 21. Februar 2019 hatte der Präsident die Auflösung der Regierung bekannt gegeben. Diese habe es nicht vermocht, die wirtschaftliche Situation des öl- und rohstoffreichen Landes nachhaltig zu stabilisieren und zu verbessern. Trotz entsprechender Gesetze habe sich die Konjunktur nicht positiv entwickelt. Beobachter werteten diesen Schritt auch als Ausdruck wachsender Angst der Regierenden vor dem Zorn der Bevölkerung.

Fünf Mädchen verbrannt

Dieser hatte sich Anfang Februar bei Protesten in mehreren Städten entladen, als fünf Mädchen bei einem Brand in der Hauptstadt Astana starben und die näheren Umstände ihres Todes bekannt wurden. Ihre Eltern hatten sie alleine gelassen, um durch zusätzliche Nachtschichten das Überleben der Familie zu sichern.

Kurz nach dem Rauswurf der Regierung ersuchte Nasarbajew beim Verfassungsrat um ein Rechtsgutachten, welche Vollmachten ihm im Falle seines Abtretens erhalten blieben.

Und das sind für den „Führer der Nation“ (Elbasy), wie sein Titel laut Verfassung lautet, immer noch so einige. So bleibt er Chef der Regierungspartei Nur-Otan sowie Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates auf Lebenszeit. Aus dem rein beratenden Gremium ist mittlerweile ein Organ geworden, das eine wichtige Rolle bei der Koordination der staatlichen Strukturen spielt – einschließlich der Sicherheitsbehörden, Ministerien und Lokalverwaltungen.

In den sozialen Medien waren die Reaktionen auf Nasarbajews Rücktrittsankündigung gemischt. Die Journalistin Irina Petrischuwa glaubt nicht an große Veränderungen. „Nasarbajew ist weggegangen“, schreibt sie auf Facebook, „aber nicht weit genug.“

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