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Kartellverdacht gegen deutsche AutobauerKlagen in den USA und Kanada

Verbraucher in Nordamerika sehen sich wegen „aufgeblähter“ Preise geschädigt. Daimler weist die Vorwürfe in einer ersten Reaktion weit von sich.

Unter anderem bei VW muss man sich nun mit Entschädigungsklagen aus Übersee befassen Foto: dpa

Washington afp | Die Kartell-Vorwürfe gegen die deutsche Autoindustrie haben nun auch in den USA und Kanada zu ersten juristischen Schritten geführt. In beiden Ländern wurden Verbraucherklagen gegen die Konzerne BMW, Daimler und Volkswagen eingereicht. Darin wird angeführt, dass die Kunden aufgrund der mutmaßlichen Absprachen überhöhte Preise für ihre Wagen gezahlt hätten.

In der bei einem Gericht der kanadischen Provinz Ontario eingereichten Klage werden Schadenersatzzahlungen in der Gesamthöhe von umgerechnet rund 750 Millionen Euro von den deutschen Autoherstellern verlangt. In der US-Klage, die im Namen von drei Verbrauchern bei einem Gericht im Bundesstaat New Jersey eingereicht wurde, sind die Forderungen nicht beziffert.

Eine Daimler-Sprecherin in den USA sagte, die Klagen „entbehren der Grundlage“. Das Unternehmen werde sich „mit allen rechtlichen Mitteln“ dagegen wehren.

Die Kläger in den USA führen an, dass die deutschen Autohersteller gegen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzgesetze verstoßen und sich in unzulässiger Weise bereichert hätten, wie aus der von dem Bundesgericht in New Jersey veröffentlichen Klageschrift hervorgeht. Durch die Praktiken der Autohersteller seien sie „gezwungen worden, aufgeblähte, überhöhte Preise für deutsche Luxusfahrzeuge zu zahlen“.

Offizielle Untersuchung nicht bestätigt

Hinter der US-Klage stehen zwei Anwaltskanzleien in New Jersey und New York. Sie haben ihr Vorgehen als potenzielle Sammelklage angelegt. Die Anwälte gehen davon aus, dass sich noch tausende weitere Verbraucher der Klage anschließen könnten. In der Klage werden unter anderem die mutmaßlichen Absprachen über die Größe von Harnstofftanks in Dieselfahrzeugen angeprangert. Diese sogenannten AdBlue-Tanks dienen der Abgasreinigung.

Die Klage in Ontario wurde von einer Anwaltskanzlei im Namen der meisten kanadischen Käufer von Fahrzeugen der deutschen Konzerne eingereicht. Wenn die Vorwürfe zuträfen, seien den kanadischen Kunden Autos mit „minderwertigen Komponenten“ zu hohen Preisen verkauft worden, erklärte der Anwalt David Wingfield von der Kanzlei Strosberg Sasso Sutts LLP.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg geht auch das US-Justizministerium den möglichen illegalen Absprachen zwischen den deutschen Autobauern über Technologien und Strategien nach. Allerdings gebe es keine Hinweise darauf, dass das Ministerium eine formelle Untersuchung eingeleitet habe, berichtete die Agentur bereits am Dienstag.

Die Kartellvorwürfe waren Ende vergangener Woche bekannt geworden. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ sollen Volkswagen, BMW und Daimler sich seit den 90er Jahren in geheimen Arbeitsgruppen untereinander über ihre Fahrzeuge abgesprochen und womöglich so auch den Weg für die Manipulationen der Abgaswerte bei Dieselwagen geebnet haben.

Der Diesel-Skandal hatte für Volkswagen in Nordamerika eine Flut von Klagen zur Folge gehabt. Die von dem Konzern in den USA im Zuge der Aufarbeitung ausgehandelten Entschädigungen und Strafzahlungen belaufen sich inzwischen auf mehr als 22 Milliarden Dollar (knapp 19 Milliarden Euro). Hinzu kommen rund 1,4 Milliarden Euro in Kanada.

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7 Kommentare

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  • Vielleicht sollte man sich einfach öfter mal bewusst machen, dass jemand, der bereit ist, auch illegale Mittel anzuwenden, einem Anderen gegenüber, der nur legale Mittel anwendet, immer im Vorteil ist, auch in seinem beruflichen Werdegang. Insofern muss man wohl davon ausgehen, dass die Vorstandsetagen der meisten Unternehmen - nicht nur deutscher - sehr üppig mit krimineller Energie ausgestattet sind.

    Bankenkrise, Abgasskandal und nun die neuen Kartellvorwürfe gegen die Automobilindustrie sind die jüngsten Belege dafür und ganz sicher auch nur die Spitze des Eisbergs.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wow, hört sich echt nicht gut an, was da auf die deutschen Autokonzerne zukommt.

    Ich würde sagen, selbst schuld.

  • Die Klage ist noch unseriöser als so manche Berichterstattung über den Fall.

     

    "Die US-Anwälte berufen sich bei ihren Vorwürfen im Wesentlichen auf Informationen aus deutschen Presseberichten" war im Spiegel zu lesen.

     

    Genauso sehen die Klagen aus, die ich aus den USA kenne. Zusammengerotzt, würde in Bezug auf Schlüssigkeit und Substanz kein Rechtsreferendar schlechter können. Verklagt wird alles und jeder, der nicht bei drei auf dem Baum ist. Die Costa Concordia lag noch nicht richtig auf der Seite, da ging gegen die oberste Konzernholding in Florida schon die erste Klage ein. Die Anwälte nutzen das Erpressungspotential der "Pre-trial-discovery", womit sie dann im Verfahren versuchen, ihren jämmerlichen Vortrag noch mit Substanz zu hinterlegen.

     

    Noch weiß niemand etwas Genaues. Die "Selbstanzeigen" bei den Kartellbehörden sind etwas anderes als bei den Steuerbehörden, kartellrechtliche Beurteilungen sind oft Ansichtssache in Bezug auf Wettbewerbseinflüsse - wann wird Wettbewerb negativ beeinflusst, liegt vielleicht gar ein positiver Einfluss vor? Die Grenze von Kooperationen (ein Modell von Mazda ist eigentlich ein Ford Fiesta, der Fiat 124 Spider ist wiederum ein Mazda etc. etc.) zu Kartellen ist fliessend. Ich denke, dass es sich weniger um Selbstanzeigen als um das Nachsuchen einer kartellrechtlichen Beurteilung handelt.

  • Ist es wirklich eine scheinheilige Empörung der Verbraucher, die für ihre Luxusfahrzeuge sooo mit einem aufgeblähten Preis getäuscht wurden... Was ist dann mit Apple?

     

    Oder sind es eher Anwaltskanzleien die in Erwartung hoher Entlohnungen die Klagen einreichen (und dann Verbraucher suchen, die sich den Klagen anschliessen)? Es geht eben nichts ohne Anwälte in den USA. Die Mafia war nichts dagegen.

  • "sie „gezwungen worden"... Na klar, die armen Käufer sind gezwungen worden, VW, BMW oder einen Benz zu kaufen... Mit dem Schlachten der Sau lässt sich's halt prächtig Geld verdienen. Aber speziell in Amiland ist ja alles möglich, auch dass Russland dem Wähler sein Kreuzle an falscher Stelle machen lässt...

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Grmpf:

      ...ja, wenn die "Sau" nicht im eigenen Land geschlachtet wird, dann muss das jemand anderes erledigen.

  • Es ist völlig in Ordnung, gegen Betrug und verbraucherschädigendes Kartellverhalten massiv vorzugehen.

     

    Jedoch gewinne ich immer mehr den Eindruck, daß auch hier zunehmend das Recht mit dem Recht ausgehebelt wird, indem speziell die USA die Gegebenheiten ziemlich einseitig und sehr massiv dazu nutzen, um auf Kosten Deutschlands ihre eigenen Finanzen aufzupeppen, so daß die Sache selbst neben manchen guten Folgen nebenbei auch zu einem Wirtschaftskrieg entartet ist.