Karstadt-Gebäude in Neukölln: Kampf um den Hermannplatz
Der geplante Neubau des Karstadt-Warenhauses am Hermannplatz erhitzte die Gemüter. Ein Masterplan soll die Details des Vorhabens festlegen.
Dem Ziel, die Karstadt-Filiale am Hermannplatz abzureißen und durch einen Neubau nach historischen Vorbild der 20er Jahre zu ersetzen, dürfte Benko nach einem umstrittenem Deal mit dem Senat im August einige Schritte nähergekommen sein. Aber auch auf Bezirksebene und in den sozialen Medien versucht Signa weiterhin, Unterstützung für die Neubaupläne zu mobilisieren.
Während die Umsetzung des umstrittenen Signa-Deals noch auf sich warten lässt, erhöhte zuletzt die Neuköllner SPD den Druck auf den Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Ende November beschloss sie gemeinsam mit der CDU-Fraktion im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einen Antrag, in dem das Bezirksamt dazu aufgefordert wurde, die Planungshoheit an den Senat zu übergeben. Entgegen gängiger Praxis wurde der Antrag nicht im Vorfeld öffentlich gemacht.
Das sei zwar legal, aber „behindert die breite öffentliche Auseinandersetzung mit konträren Positionen,“ kritisiert Marlis Fuhrmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Neukölln, das Vorgehen der Sozialdemokraten.
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Die SPD fordert einen Umschlagplatz für Lastenräder
Die SPD bringe immer wieder Anträge ein, in denen Signa bei der zukünftigen Gestaltung des Hermannplatzes ausdrücklich mit eingebunden wird. Beispielsweise fordert ein anderer SPD-Antrag in derselben Sitzung, dass in dem neu gebauten Karstadtgebäude „Micro-Hubs“ genannte Umschlageplätze für Lastenräder entstehen sollen.
Der Lockdown im März hatte das ohnehin schon kriselnde Warenhausunternehmen Galeria Karstadt Kaufhof hart getroffen. Im April leitete der Mutterkonzern Signa ein Schutzschirmverfahren ein, das Anfang Juli schließlich zu einem vollwertigen Insolvenzverfahren ausgeweitet wurde. Im Zuge der Sanierung sollten auch sechs der elf Filialen in Berlin geschlossen werden.
In harten Verhandlungen konnte der Senat Signa Garantien für vier der Standorte abringen. Im Gegenzug sollte der Senat dem Konzern bei der Umsetzung einiger bislang umstrittener Bauprojekte entgegenkommen, unter anderem beim Neubau am Hermannplatz.
In der im August vorgestellten Absichtserklärung („Letter of Intent“) hieß es, der Senat solle das Bebauungsplanverfahren an sich ziehen – somit könnte die Absage übergangen werden, welche Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) dem Projekt bereits 2019 erteilt hat. Schmidt begründete die Absage unter anderem mit der Befürchtung, mit dem Neubau würde lediglich eine Shoppingmall mit historischer Fassade entstehen, die den umliegenden Einzelhandel kannibalisieren würde.
Um die begründeten Sorgen des Bezirks nicht einfach in den Wind zu schlagen, soll gemäß der Absichtserklärung ein Masterplan unter Einbeziehung der betroffenen Bezirke und der Zivilgesellschaft erstellt werden. In dem Plan soll genauer festgelegt werden, wie der Hermannplatz und seine Umgebung in Zukunft weiter entwickelt werden sollen.
Der Deal wurde auch innerhalb der Koalition scharf kritisiert, es war von „Erpressung“ die Rede. Tatsächlich stand die Schließung der als umsatzstark geltenden Filiale am Hermannplatz nie ernsthaft zur Debatte.
Vielleicht gibt es keinen Abriss
Knapp fünf Monate nach Abschluss des Deals ist noch nicht allzu viel passiert. Auf Anfrage der taz teilt Katrin Dietl, Pressesprecherin der Senatsentwicklung für Stadtentwicklung und Wohnen, mit: „Derzeit wird in einer Vorphase diskutiert, wie das Masterplanverfahren ausgestaltet werden kann.“ Das eigentliche Verfahren solle im nächsten Jahr beginnen.
Unklar sei auch, in welcher Form die Zivilgesellschaft beteiligt wird. Dass es ein „breit angelegtes Partizipationsverfahren“ geben werde, stehe aber außer Frage, so Dietl. Auch solle das Verfahren „definitiv ergebnisoffen“ sein, das heißt, ein Abriss und Neubau des Gebäudes würden nicht von vornherein feststehen.
Die Aktivist*innen der Initiative Hermannplatz haben daran angesichts des bisherigen Ausmaßes politischer Einflussnahme durch Signa ihre Zweifel: „Eine solche Machtungleichheit lässt keine echte Beteiligung zu“, kritisiert Sprecherin Helena Rafalsky. Intern habe man viel darüber diskutiert, ob man sich als Initiative an dem offiziellen Verfahren beteiligen wolle: „So ein Verfahren ist nicht wirklich dazu da, Beteiligung zu ermöglichen, sondern Konflikte einzuebnen“, meint Rafalsky.
Signas Ankündigung vor fast zwei Jahren, das eher schmucklose Warenhaus am Hermannplatz durch eine Rekonstruktion des monumentalen Art-déco-Baus von 1929 zu ersetzen, sorgte für zwiespältige Reaktionen.
Kritiker*innen fürchten steigende Mieten im Umfeld
Befürworter*innen, wie etwa Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD), sehen das Projekt als Chance, den bislang als schmuddelig geltenden Hermannplatz aufzuwerten. Zu einem „Wohlfühlort für alle“ solle der Platz werden, formulierte es Hikel zuletzt bei einer Podiumsdiskussion im September.
Signa plant in Berlin zahlreiche weitere Großprojekte, darunter Hochhäuser am Alexanderplatz und am Ku’damm. Gründer René Benko steht im Verdacht, dass er der rechtspopulistischen FPÖ illegale Parteispenden hat zukommen lassen. 2013 wurde Benko bereits wegen Korruption verurteilt.
Karstadt am Hermannplatz: Das historische Gebäude wurde 1929 errichtet und nach dem Krieg gesprengt. Das jetzige Gebäude wurde 1952 erbaut und zuletzt 2000 umfassend saniert. Der Neubau soll deutlich mehr Geschossfläche bieten, die Karstadt-Filiale aber nicht vergrößert werden. (taz)
Kritiker*innen wie die Initiative Hermannplatz, die sich als Reaktion auf Signas Pläne gründete, fürchten hingegen, ein prestigeträchtiger Neubau würde die Mieten in die Höhe treiben und zur weiteren Verdrängung des umliegenden Kleingewerbes führen.
Besonders in den sozialen Medien versucht Signa daher, die öffentliche Meinung mit der dialogorientierten Kampagne „Nicht ohne euch“ zu ihren Gunsten zu drehen. Der Konzern scheint dabei nichts unversucht zu lassen, um die Argumente seiner Kritiker*innen zu entkräften. So präsentiert sich das Unternehmen als besonders nachhaltig und verspricht, Beton zu recyceln und altes Baumaterial wiederzuverwenden.
Für die Aktivist*innen offenbart die Kampagne, dass es bei dem Projekt nicht nur um ein neues Gebäude geht: „Sie wollen Einfluss auf den gesamten Kiez und seine Umgebung“, schätzt Rafalsky die Gebaren des Immobilienkonzerns ein. „Signa ist Investor, kein Stadtplaner“, kritisiert auch Marlis Fuhrmann die Ambitionen des Unternehmens. „Aber sie fühlen sich scheinbar zuständig.“
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