Karrierefrauen: Der Gipfel der Managerinnen
Rund 1.000 Frauen aus 95 Nationen tagen derzeit in Berlin. Es sind weibliche Spitzenkräfte aus Politik und Wirtschaft. Ihr Hauptziel: "Networking".
Alles begann mit einem Rosenacker. "Ich mag Blumen", sagt Hadia M. Gondji. Die Äthiopierin lehnt im Ledersessel und zückt eine Visitenkarte. "Hadia Flowers" steht da, in Zartlila neben einen stilisierten Blütenkelch gedruckt.
Gondji hat einiges erprobt in ihrem Berufsleben. Sie ist Sekretärin gewesen und Mitarbeiterin der UN. Dann heiratete sie einen Geschäftsmann. Er hat ihr gezeigt, wie das geht: ein Unternehmen gründen, Geschäftspläne entwerfen. Heute ist Gondji Vizepräsidentin des Verbands äthiopischer Exporteurinnen. Sie spricht das routinierte Englisch einer Geschäftsfrau, die täglich quer durch die Welt telefoniert. Und sie ist Herrin über 14 Hektar, auf denen es blüht und rankt und prangt. Dort wachsen die Rosen, die ein paar Tage später in Amsterdam oder Tokio über den Ladentisch gehen. "Ich bin sehr ehrgeizig", sagt Gondji. "Ich finde diesen Gipfel großartig. Hier treffe ich Frauen, die noch stärker, noch erfolgreicher sind als ich. Das inspiriert mich sehr."
Gondji sitzt in der Lobby des Berliner Hotels Intercontinental, durch die heute hunderte Frauenstimmen schallen: Bis Samstag tagt hier der "Global Summit of Women". Der Gipfel vereint Unternehmerinnen, Managerinnen und Politikerinnen aus aller Welt. Zum ersten Mal findet er in Deutschland statt. Und zum ersten Mal lockt er so viele Spitzenkräfte an: "1.000 Frauen und eine Handvoll Männer" seien dabei, sagt Irene Natividad, US-Amerikanerin und Präsidentin des Gipfels. "G-95" hat sie das Treffen getauft, in Anlehnung an das Großereignis in Heiligendamm: "Da waren acht Nationen vertreten. Hier aber sind es 95." Ministerinnen sind angereist und mehrere Präsidentinnen. Kanzlerin Angela Merkel aber ist nicht gekommen. Selbst Familienministerin Ursula von der Leyen schaute nur kurz vorbei.
Dabei lohnt der Besuch sehr, findet Lih-Fen Chen - vor allem für Geschäftsfrauen. "Dies ist ein wunderbarer Ort, um Kontakte zu knüpfen", sagt die Taiwanerin. "Gestern Abend zum Beispiel. Da trug eine Kollegin unsere traditionelle Tracht. Und prompt kam eine mexikanische Unternehmerin auf uns zu: Sie will diese Kleidung jetzt in Mexiko vertreiben."
Chen hat Kunstgeschichte studiert, auch in Deutschland. Nebenher hat sie gedolmetscht, wenn taiwanische Geschäftsleute auf deutschen Messen zu Gast waren. "Ich habe Ideen gesammelt, Kontakte geknüpft." Heute ist sie Chefin einer Firma, die Maschinenzubehör herstellt. "Das ist auch in Taiwan nicht gerade die gängige Karriere für eine Kunsthistorikerin. Aber dank meiner guten Kontakte habe ich das geschafft."
Jetzt will sie in Berlin neue Allianzen ausloten. Beim Essen etwa, da saß sie neben einer österreichischen Professorin. "Die hat mich dann gleich für einen Vortrag bei einer Tagung engagiert."
Überhaupt ist "Networking" beim Gipfel ein beliebtes Schlagwort. Hier trifft man sich nicht zum Frühstück, sondern zum "Networking Breakfast". Ständig werden in irgendeinem Winkel des Hotels Hände geschüttelt und Mailadressen ausgetauscht. Anthrazit gewandte Isländerinnen fachsimpeln mit einer Tansanierin im gelb-grünen Wickelkleid. Im hoteleigenen Handtaschenladen drängeln sich die Geschäftsfrauen, beugen sich über die Auslage und besprechen das nächste Millionenprojekt.
"Dies ist ein großartiges Forum, um Kontakte zu knüpfen", sagt auch die Inderin Farah Khan. Neben ihr steht die Japanerin Mineko Hasegawa, die sie vor drei Jahren auf einem Frauengipfel kennenlernte. Seither vertreibt Hasegawa in Japan die Produkte der Inderin: handbestickte Kaschmirschals.
Die Schals waren es, die ihrem Leben eine Wende gaben, sagt die Inderin. Einst stand sie da, mit zwei Kindern und wenig Geld. Dann hatte sie diese Geschäftsidee. Sie lässt Hausfrauen aus Kaschmir Schals besticken. Von Delhi aus exportiert sie sie dann an Nobelboutiquen in vielen Ländern der Welt. Von dem Geld, das sie verdient, hat sie ihren ältesten Sohn an eine renommierte Uni geschickt. Khan wird jetzt häufig als Referentin eingeladen. "Wie kann ich eine gute Mutter sein und gleichzeitig Geschäftsfrau" - das Thema interessiert viele Inderinnen.
Derzeit sticken 800 Frauen in Khans Diensten. "Für viele Hausfrauen ist das ein willkommener Zuverdienst", sagt sie. "Und außerdem bewahrt man so eine alte Handwerkstradition."
Khawla Bakhit ist noch mit dem Schritt davor beschäftigt. Die Geografin aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sitzt im Vortragssaal und lauscht den Rednerinnen. Sie arbeitet für das Sozialministerium, verfolgt den Gipfel mit klarer Mission: "Bei uns gibt es viele Frauen, die freie Zeit haben, aber nicht außer Haus arbeiten wollen. Ich sammele hier Ideen, was diese Frauen machen könnten, welche Heimarbeit sich bewährt hat." Sie zückt den Notizblock, guckt sich mögliche Informantinnen aus. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass die Frauen auf dem Gipfeltreffen ein Erfolgskonzept entwerfen.
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