Karriere im Amt: Arbeitslose statt Führungskräfte
Das Jobcenter Bremen hat eine neue Chefin: Susanne Ahlers coachte bisher Führungskräfte und erfüllt die Jobanforderung „Empathie für Arbeitslose“.
BREMEN taz | Susanne Ahlers hätte weiter in Berlin Führungskräfte coachen können. Doch sie entschied sich stattdessen dafür, das Bremer Jobcenter zu leiten mit seinen 75.000 Kunden und Kundinnen, darunter über 12.000 Langzeitarbeitslose. Seit Freitag ist die 56-jährige Politologin im Dienst, am gestrigen Montag stellte ihre Dienstherrin Anja Stahmann Ahlers vor, gemeinsam mit Arbeitssenator Martin Günthner, dessen Behörde das Jobcenter mit trägt.
Warum sie den Vertrag ihres Vorgängers Helmut Westkamp nach fünf Jahren nicht verlängert hatten, wollten Stahmann und Günthner nicht verraten. Aber sie hatten ganz oben in die Stellenanzeige als Jobanforderung „Empathie für Arbeitslose“ hinein schreiben lassen. „Wow“, habe sie gedacht, als sie den Ausschreibungstext las, erzählte Ahlers, die in Bremen studiert hat.
„Wow“, müssen auch ihre Dienstherren gedacht haben, als sie Ahlers Lebenslauf lasen. Anders als Westkamp hat sie nicht Karriere in Einrichtungen der Arbeitsagentur gemacht. Bevor sie sich 2008 als Coach selbständig machte, war sie Staatssekretärin für Arbeit und Frauen im Land Berlin, Frauenbeauftragte in Wiesbaden und Referatsleiterin in der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Und ausgebildete Erzieherin, bevor sie auf dem zweiten Bildungsweg Abitur machte.
„Ich möchte wieder selbst etwas bewegen“, erklärte Ahlers ihre Motivation, sich in Bremen der schwierigen Vermittlung von Menschen in Arbeit zu widmen, die häufig keine Ausbildung haben und manchmal noch nicht einmal einen Schulabschluss. Die Arbeitslosenzahlen werde sie nicht senken können, sagte sie. „Aber ich will dafür sorgen, dass Menschen angemessen und für sie passend unterstützt werden.“
Dazu gehöre, freie Stellen im Jobcenter mit seinen 900 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen schnell wieder zu besetzen, um Überlastung zu vermeiden. Wichtig seien außerdem kurze Wartezeiten für Jobcenter-KundInnen.
Ein besonderes Augenmerk will die neue Jobcenter-Chefin auf drei Zielgruppen richten: Geflüchtete, Alleinerziehende und junge Menschen, die laut Ahlers in Bremen überdurchschnittlich oft keine Ausbildung absolviert haben. Bei den alleinerziehenden Frauen –von denen es in Bremen ebenfalls überdurchschnittlich viele gibt –scheitere die Qualifikation oft an mangelnder Kinderbetreuung, sagte Ahlers. Möglicherweise könne Bremen sich hier bei Berlin etwas abgucken, wo projektweise die Kindertagesbetreuung in Randzeiten aus arbeitsmarktpolitischen Mitteln finanziert wurde.
Heute will der Senat beschließen, weitere 100 Stellen im Jobcenter zu schaffen. Der Hintergrund seien die vielen Geflüchteten in Bremen, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann. Im Jahr 2015 seien 2.500 Minderjährige alleine nach Bremen geflohen, die eine Perspektive bräuchten. Zur Erinnerung: Vier Jahre zuvor waren es gerade einmal 41.
Susanne Ahlers, Jobcenter-Chefin
Arbeitssenator Martin Günthner kündigte an, dass der Senat das Jobcenter in Zukunft „enger und intensiver begleiten“ wolle.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss