Karlsruher Urteil zu Psychiatrie-Patienten: Richter muss Fixierung genehmigen
Künftig müssen Richter grünes Licht geben, damit Patienten festgebunden werden dürfen. Bayern und Baden-Württemberg müssen nachbessern.
Karlsruhe epd/dpa/afp | Patienten dürfen ohne richterliche Genehmigung nicht im Krankenbett fixiert werden. Ist eine vorherige Genehmigung nicht möglich, müsse diese nachträglich eingeholt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil. (AZ: 2 BvR 309/15 und 2 BvR 502/16)
Die Karlsruher Richter erklärten damit landesgesetzliche Regelungen in Baden-Württemberg teilweise für verfassungswidrig und rügten fehlende Bestimmungen in Bayern. Bis zum 30. Juni 2019 muss nun der jeweilige Gesetzgeber die Fixierung von Patienten neu regeln und die Freiheitsgrundrechte von Patienten sicherstellen.
Dafür soll jedes Bundesland künftig auch eine Richterbereitschaft gewährleisten. Bis dahin gilt die bisherige Praxis weiter. Es muss aber bei jeder Fixierung genau geprüft werden, wie lange diese unerlässlich ist, um eine Selbstgefährdung oder eine Gefährdung Dritter abzuwenden.
Wenn eine Fixierung an Beinen, Armen und Bauch – in einigen Fällen zusätzlich um Brust und Stirn – absehbar nicht weniger als eine halbe Stunde dauert, reicht die Anordnung eines Arztes nicht aus. Wird eine Fixierung in der Nacht vorgenommen, muss eine richterliche Entscheidung am nächsten Morgen eingeholt werden.
Die Fixierung eines Patienten sei ein Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person nach Artikel 104 des Grundgesetzes, sagte der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle. Sie sei nur als letztes Mittel zulässig.
Damit bekamen zwei psychisch kranke Patienten aus Baden-Württemberg beziehungsweise Bayern recht, die während eines Psychiatrieaufenthalts stundenlang im Krankenbett fixiert worden waren.
Leser*innenkommentare
Juhmandra
Das Fixieren betrifft ja nicht alleine die Psychiatrie.
Ich arbeite in einer Frühreha Neurologie und dort ist es manchmal angebracht, den Pat. kurzfristig zu fixieren.
Der Grund ist dann kein Machtspiel, sondern akute Lebensgefahr durch Eigengefährdung des Patienten, weil er sich z.B. eine Trachealkanüle ziehen würde oder weil er so schwer stürzen könnte, daß er es nicht überlebt (besonders nach Entfernung eines Teils der Schädelplatte zwecks Druckentlastung - ein Sturz wäre hier fatal).
Dies sind aber nur kurzfristig,ärztlich angeordnete, Fixierungen unter spezieller Beobachtung.
Viel schlimmer als die körperliche Fixierung ist jedoch die medikamentöse Fixierung!!
Nach 35 Berufsjahren in der Krankenpflege weiss ich, daß es eine extrem hohe Dunkelziffer gibt, wo Pat. per Medikation ruhiggestellt werden. Aus verschiedensten Gründen, aber sehr oft nicht ärztl. angeordnet.
Hier müsste dringend eine Regelung her.....
Hampelstielz
Guter Ansatz, aber ich zweifle daran, dass ein Richter sich die Zeit nehmen wird sich in die Situation der Einrichtung und des von der Fixierung Betroffenen einzuarbeiten. Außerdem ist eine stundenlange Fixierung immer Teil eines Machtspielchens umd eine unglaubliche Tortur für jeden Menschen, gerade erst für psychisch labile Menschen. Die Fixierung ist nicht gerade dazu geeignet einen Menschen zu stabilisieren, sondern sie bricht und traumatisiert ihn.
Die Psychiatrie ist eh eine zweifelhafte Institution, in der Willkür und Ohnmacht allgegenwärtig sind.