Karlsruher Beschluss zu Renate Künast: Bloßes Pöbeln ist keine Machtkritik
Grünenpolitikerin Künast bekommt vom Bundesverfassungsgericht Recht. Gezielte Hetze im Netz darf nicht sein.
D ie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Hetz-Kommentaren gegen Renate Künast kommt nicht überraschend. Die Berliner Gerichte haben es in vier Entscheidungen – zwei Mal beim Landgericht, zwei Mal beim Kammergericht – nicht geschafft, die ausgewogenen Karlsruher Vorgaben zur Abwägung von Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit korrekt umzusetzen.
Wenn jemand Renate Künast als „Gehirn Amputiert“ bezeichnet, dann ist das eben kein schutzwürdiger Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, sondern dient nur der emotionalisierenden Stimmungsmache. Die Äußerungen sind auch nicht im kleinen Kreis gefallen, sondern im großen, weiten Internet.
Solche Abwägungen verlangt das Bundesverfassungsgericht und sie werden bei einem Großteil der noch strittigen Äußerungen zum Ergebnis führen, dass Künast hier strafbar beleidigt wurde. Die von Karlsruhe stets hochgehaltene Freiheit zur Machtkritik ist eben mehr als die Freiheit zur bloßen Pöbelei.
Wer sich mit Künasts Positionen zur grünen „Kindersex“-Debatte der 1980er Jahre auseinandersetzen will, kann dies weiter tun und darf dabei auch drastische Worte verwenden. Das ist alles von der Meinungsfreiheit gedeckt, solange es um Argumente geht.
Tatsächlich hat Künast 1986 im Berliner Abgeordnetenhaus einen missverständlichen Zwischenruf gemacht, als sie einen CDU-Abgeordneten darauf hinwies, die NRW-Grünen wollten nur „gewaltfreien“ Sex mit Kindern entkriminalisieren.
Künasts alte Äußerung kann man kritisieren. Sie kann aber keine Rechtfertigung sein, daraus ein falsches Künast-Zitat zu basteln, indem eine erfundene „doch ganz ok“-Zustimmung angehängt wird. Der rechte Blogger Sven Liebich ist dafür strafrechtlich verurteilt worden. Also können auch seine Follower, die sich über das falsche Zitat dann so richtig aufgeregt haben, nicht sonderlich schutzwürdig sein. Natürlich muss Künast von ihnen die Unterlassung dieser Hetze verlangen können.
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