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■ Karlsruhe kippt das bayerische Sonderrecht zum Paragraph 218Angst vor der eigenen Courage

Auf den ersten Blick ist der Streit um das Abtreibungsrecht jetzt endlich entschieden. Das Konzept „Lebensschutz mit der Frau, nicht gegen die Frau“ ist bundesweit verbindlich und darf auch nicht durch bayerische Sonderregelungen unterlaufen werden. Die umstrittenen Abtreibungskliniken im Freistaat können damit bis auf weiteres bestehen bleiben.

Dieser Erfolg ist um so bemerkenswerter, als es bisher immer das Verfassungsgericht war, das fortschrittliche Regelungen wieder kippte. So wurde 1975 die von der sozialliberalen Koalition eingeführte Fristenregelung wieder aufgehoben. Und auch der nächste Reformversuch nach der deutschen Einigung wurde 1993 in Karlsruhe gerupft: Wenn die abtreibende Frau straffrei bleibe, müsse der Abbruch zumindest formal rechtswidrig bleiben, verlangte damals der Zweite Senat. Diesmal aber war der liberalere Erste Senat zuständig und entschied gegen das bayerische Verbot spezialisierter Abbruchkliniken.

Leider ist damit noch keine endgültige Rechtssicherheit erreicht. Denn der Erste Senat hat weder entschieden, daß Regelungen wie die jetzt in Bayern aufgehobene inhaltlich unzulässig sind. Noch hat das Gericht erklärt, daß das jetzige Bundesgesetz – das derartige Spezialkliniken zuläßt – verfassungsgemäß ist. Es sah sich gerade einmal dazu in der Lage, es „nicht offensichtlich verfassungswidrig“ zu finden. Damit wurde die bayerische Staatsregierung geradezu eingeladen, das Bundesgesetz mit einer Normenkontrolle anzugreifen. Diese aber, und das wäre angesichts der Karlsruher Zerrissenheit tragisch, würde wieder vom konservativ dominierten Zweiten Senat entschieden.

Der Erste Senat aber beschränkte sich – inhaltlich ganz neutral – auf den Schutz der Bundesregelung vor einer Aushöhlung durch Landesrecht. Verzichtet wurde auf die durchaus naheliegende Feststellung, daß ein Verbot spezialisierter Abtreibungskliniken selbst unter „Lebensschutz“-Gesichtspunkten kontraproduktiv und deshalb unverhältnismäßig ist. Denn eine Spezialklinik kann es sich viel eher leisten, eine unsichere Schwangere abzuweisen, als etwa ein Allgemeinarzt, der für einen vereinzelten Abbruch extra einen Anästhesisten einbestellt hat. Und daß die Gesundheit der Frau in einer Spezialklinik besser geschützt ist, liegt wohl eh auf der Hand.

Nur mit einem derartigen Urteil wäre wirklich Rechtssicherheit erreicht worden. Doch die Mehrheit am Ersten Senat hatte offensichtlich Angst vor der eigenen Courage – und den Kollegen am Zweiten Senat. Christian Rath

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