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Kapital & NS

Die These war schon vorher in der Welt, aber 1935, auf dem VII. Kongress der Kommunistischen Internationale, erhob Georgi Dimitroff sie zur offiziellen Doktrin: Der „Faschismus an der Macht“ sei nichts als die „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“.

An dem Glauben, die Großindustrie habe Hitler an die Macht gebracht, hielt auch die offizielle DDR-Historiografie fest. Bei Teilen der (west-) deutschen Linken erfreute sich diese Lesart ebenfalls einiger Beliebtheit.

Dem Streit der Theoretiker hinkte die wissenschaftliche Erforschung der Fakten weit hinterher. Erst 1985 brachte der Historiker Henry A. Turner von der US-Universität Yale ein Buch heraus, in dem er die Belege für eine entscheidende Rolle der Großunternehmer beim Aufstieg Hitlers unter die Lupe nahm. Sein Fazit: Die Beziehungen der Wirtschaftskapitäne zu den Nazis gingen vor 1933 „über das Niveau von Flirts nicht hinaus“.

So ist die Behauptung des Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid, Kohlebarone an der Ruhr hätten pro Tonne Kohle fünfzig Pfennig an die NSDAP überwiesen, bis heute nicht belegt.

Hitlers Rede vor dem Düsseldorfer Industrieclub im Januar 1932 wurde nach Darstellung der liberalen Vossischen Zeitung auffallend zurückhaltend aufgenommen, und der Bankier Kurt von Schröder, der sein Kölner Haus am 4. Januar 1933 für ein Treffen der späteren Regierungspartner Hitler und Papen zur Verfügung stellte, stand nur einer Provinzbank vor.

Eine Schlüsselrolle in den Beziehungen zwischen den Nationalsozialisten und den deutschen Unternehmern spielte der Bankier und Politiker Hjalmar Schacht, der von 1924 bis 1930 und von 1933 bis 1939 als Reichsbankpräsident amtierte. Als einziger Vertreter der Hochfinanz näherte er sich bereits frühzeitig der NSDAP und unterstützte das „Harzburger Treffen“ der „nationalen Opposition“.

Von 1934 bis 1937 war Schacht Wirtschaftsminister. In dieser unternehmerfreundlichsten Phase des NS-Regimes gelang es ihm, die Konzerne vor direkten Staatseingriffen weitgehend zu bewahren. 1944 kam er wegen loser Kontakte zu Widerstandskreisen ins Konzentrationslager. Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wurde er 1946 freigesprochen.

Von den neueren Gesamtdarstellungen der NS-Diktatur am stärkten auf Ökonomie fokussiert ist das Buch von Ludolf Herbst: Das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1996). Den Zusammenhang von Versorgungslage und Vernichtungspolitik beschreibt Christian Gerlach: Krieg, Ernährung, Völkermord (Pendo Verlag, Zürich 2001).

Ökonomisch bilanziert Cornelia Rauh-Kühne den Zwangsarbeitereinsatz in ihrem Aufsatz Hitlers Hehler? Unternehmerprofite und Zwangsarbeiterlöhn, der im August 2002 in der Historischen Zeitschrift erschien.

Nur noch in Bibliotheken erhältlich ist Henry A. Turners Studie Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers (Siedler Verlag, Berlin 1985). Gleiches gilt für das sehr dogmatische, aber wegen der abgedruckten Quellen interessante Buch Eberhard Czichons: Wer verhalf Hitler zur Macht? (Pahl-Rugenstein, Köln 1967). RAB

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