■ Kanzlerkandidat Schröder will den Atomausstieg erst in 25 Jahren: Der Gnadenlose
Die Grünen können einem leid tun. Was immer passiert, was immer sie tun und sagen, es fällt ihnen derzeit entweder auf die Füße oder wird ihnen von ihrem potentiellen Koalitionspartner um die Ohren gehauen. Bereits vor seiner Nominierung hatte Kanzlerkandidat Gerhard Schröder Hürden errichtet, über die die Bündnisgrünen springen sollten. So verkündete Schröder ganz nebenbei, ausländische Gäste, gemeint waren Einwanderer, die sich nicht benehmen, müßten ganz schnell rausfliegen. Damals hieß es, Schröder müsse sich gegenüber Lafontaine profilieren. Im übrigen könne es ja den Grünen nur nützen, wenn Schröder in der Mitte fischt und den Grünen das kritische Potential der Republik überläßt.
Seit Schröder nominiert ist, fischt er kräftig weiter und gräbt den Grünen das Wasser ab. Ökologische Steuerreform und Benzinpreis – selbst CDU-Hintze hatte Mühe, schriller über den grünen Unsinn herzuziehen. Wo es um die Mitte geht, kennt Schröder kein Halten. Herzensangelegenheiten seines möglichen Koalitionspartners werden reihenweise im Handstreich erledigt. Noch auf ihrem Parteitag in Magdeburg haben die Grünen vor dem Hintergrund eines schweren ethischen Konflikts, über die Bedingungen für militärische Interventionen außerhalb des Nato- Gebietes, gestritten. Schröder kann darüber nur den Kopf schütteln: Wenn Tausende Flüchtlinge aus dem Kosovo drohen, darf die Nato natürlich auch ohne Mandat der UNO einmarschieren. Überhaupt immer diese grünen Bedenkenträger. Transrapid, ökologische Einwände, ökonomische Bedenken – laßt uns doch mal innovativ sein. Natürlich wird der Transrapid gebaut. Bleibt da noch dieses andere kleine technologische Abenteuer, mit dem die Freunde der Risikogesellschaft uns in den 60er Jahren beglückten.
Seit 20 Jahren wird über den Ausstieg aus der Atomindustrie diskutiert. Kein anderes Thema liegt den Grünen so nahe wie dieses, an keinem anderen Punkt muß sich die Sinnhaftigkeit einer grünen Regierungsbeteiligung so deutlich beweisen wie an diesem. Das schien auch kein großes Problem. Schließlich hat die SPD schon Anfang der 80er den Ausstieg in zehn Jahren beschlossen. Da konnten sich die Grünen als Beschleuniger gut zu verhalten. Jetzt möchte der SPD-Kandidat doch etwas mehr Zeit. Ein Vierteljahrhundert dürfte es schon dauern, bis dahin ist dann auch die Laufzeit des letzten Reaktors vorbei. Warum man dafür eine rot-grüne Koalition braucht? Wie gesagt, die Grünen die das erklären müssen, können einem langsam leid tun. Jürgen Gottschlich
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