Kanzlerinkandidatur 2017: Merkel genießt und schweigt
Will Angela Merkel 2017 nochmal kandidieren? Aber sicher. Die taz erklärt weltexklusiv in 30 Sekunden die geheimen Ambitionen der Kanzlerin.
Warum schweigt Merkel?
Sie werde „zum gegebenen Zeitpunkt“ bekannt geben, wie sie sich in Sachen Kanzlerkandidatur entscheide – diesen Satz wiederholt Merkel seit Monaten, wenn Journalisten nach ihren Ambitionen für 2017 fragen. Merkels Schweigen ist taktisch nachvollziehbar, sie hat ja keinen Grund, sich eilig zu erklären.
Alle Deutschen kennen die Kanzlerin, sie bräuchte also als alte neue Kanzlerkandidatin der Union keine Anlaufzeit, um sich bekannt zu machen. Außerdem nutzt ihr das Warten. Sie muss über die Zerrissenheit der Union in der Flüchtlingspolitik noch etwas Gras wachsen lassen. Für einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf braucht sie mindestens den pro-forma-Friedensschluss mit Horst Seehofer. Denn, das weiß Merkel, ohne ein starkes CSU-Ergebnis in Bayern wird es im Bund für sie eng.
Wichtige Unions-Leute wie Julia Klöckner, Volker Bouffier oder Norbert Lammert appellieren bereits auf offener Bühne an Merkel, erneut zu kandidieren. Das ist eine sehr komfortable Position für die Kanzlerin. Gebeten werden, wenn es um ein wirklich wichtiges Amt geht, das will doch jeder, oder? Merkel genießt, schweigt und lässt ihre Gegnerin, die an sich selbst zweifelnde SPD, noch ein bisschen im Ungewissen.
Warum will sie noch eine Runde?
Erstens: Merkel liebt ihr Amt. Bei manchen Auftritten blitzt eine geradezu mädchenhafte Freude daran auf, genau da zu sein, wo sie ist.
Zweitens: Sie denkt, dass es keiner besser kann als sie selbst. Was übrigens alle Kanzler vor ihr auch dachten. Berufskrankheit.
Drittens: Dann wären da die Geschichtsbücher. Helmut Kohl schaffte schließlich auch volle 16 Jahre.
Viertens: Merkel ist in der Bevölkerung immer noch sehr beliebt. Zwar sind ihre Werte durch die Flüchtlingspolitik gesunken. Aber gemessen an der Tragweite der Entscheidungen ist der Verlust überschaubar.
Fünftens: In der Union gibt es trotz aller Kritik an ihrem Kurs niemanden, der es mit ihr aufnehmen könnte. Merkel trifft also die Entscheidung – und sie ganz allein.
In der Union ist wirklich kein Gegner in Sicht?
Gegenfrage: Können Sie sich einen Kanzler Horst Seehofer vorstellen? Eher nicht, oder?
Seehofer hat sich zum Beispiel nie ernsthaft für Außenpolitik interessiert, ein Feld, das heutzutage spielentscheidend ist. Alle Gedankenspiele in der CSU, 2017 mit einem eigenen Kandidaten anzutreten, sind naive Racheträume, aber keine real tauglichen Szenarien. Ein Bruch mit der großen Schwester würde die CSU in die bayerische Bedeutungslosigkeit zurückwerfen.
Zugegeben, in der CDU ist Merkel nicht mehr unumstritten. Es gibt in der Partei eine nicht zu unterschätzende Sehnsucht nach mehr Konservatismus, Merkel mutete der CDU ja schon vor ihrem liberalen Kurs in der Flüchtlingspolitik echte Verbiegungen zu – siehe Atomausstieg oder Mindestlohn. Aber das Konkurrentenfeld ist überschaubar.
Finanzminister Wolfgang Schäuble ist anzumerken, dass er davon überzeugt ist, das Kanzleramt sofort übernehmen und ausfüllen zu können. Aber der erfahrene Stratege würde nicht gegen Merkel putschen, und er hätte auch nicht die nötigen Truppen dafür. Für eine CDU-interne Revolte ist Merkels Rückhalt in der Partei und bei den BürgerInnen noch zu groß.
Ursula von der Leyen, eine ambitionierte Merkel-Konkurrentin, wäre in der CSU und in Teilen der CDU im Moment nicht durchsetzbar. Zu liberal, zu modern und wieder eine Frau – dann doch lieber Merkel. Und Thomas de Maizière erweckte in der Flüchtlingskrise vor allem einen Eindruck, nämlich den, heillos überfordert zu sein. Er hat sich nun wirklich nicht fürs Kanzleramt qualifiziert.
Gut und schön. Aber wann wird sich Merkel erklären?
Vermutlich kurz vor dem CDU-Parteitag in Essen im Dezember. Vor den Delegierten müsste Merkel sich erneut als Vorsitzende bewerben. Dieses Amt und die Kandidatur gehören in der CDU traditionell zusammen, das hat auch Merkel mehrmals deutlich gemacht.
Sie muss also vorher Klartext reden, damit die Delegierten wissen, worüber sie eigentlich abstimmen. Netter Nebeneffekt: Sie könnte mit einem sehr guten Ergebnis rechnen, weil niemand gerne die künftige Kanzlerkandidatin beschädigt. Dafür ist die zerrissene CDU dann doch zu machtbewusst.
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