Kanzler Scholz überraschend in Kyiiw: Waffenversprechen bei Blitzbesuch in der Ukraine
Überraschend reist Kanzler Olaf Scholz in die Ukraine, zum zweiten Mal seit Kriegsausbruch. Vor Ort kündigt er weitere Waffenlieferungen an.
Scholz sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, die Ukraine zu zögerlich zu unterstützen. So wurde er wiederholt vergeblich gedrängt, deutsche Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Deutschland ist nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine mit Militärhilfen.
Die Debatte um Taurus-Lieferungen an die Ukraine war wieder aufgeflammt, nachdem die USA Kyjiw vor zwei Wochen die Erlaubnis erteilt hatten, US-Raketen vom Typ ATACMS gegen Ziele auch im russischen Hinterland einzusetzen. Die Taurus-Marschflugkörper haben eine noch größere Reichweite als die ATACMS.
Scholz stellt der Ukraine am Montag baldige weitere umfangreiche Rüstungslieferungen in Aussicht. Bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj werde er „weitere Rüstungsgüter mit einem Wert von 650 Millionen Euro ankündigen, die noch im Dezember geliefert werden sollen“, erklärte Scholz bei seiner Ankunft in Kyjiw.
Deutschland „stärkster Unterstützer in Europa“
Die Ukraine verteidige sich „auf heldenhafte Art und Weise gegen den erbarmungslosen russischen Angriffskrieg“, erklärte Scholz weiter. Mit seinem Besuch wolle er seine Solidarität mit der Ukraine ausdrücken. Deutschland werde „der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa bleiben“. Die Ukraine könne sich auf Deutschland verlassen, so Scholz. „Wir sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen.“
Der Besuch wurde aus Sicherheitsgründen vorher nicht angekündigt. Kyjiw wird derzeit immer wieder von russischen Drohnen attackiert. Die Ukraine steht stark unter Druck. Im Osten des Landes erzielt die russische Armee seit Monaten stetig Geländegewinne. Die Ungewissheit für die Ukraine wird zudem durch den im Januar anstehenden Wiedereinzug von Donald Trump ins Weiße Haus erhöht. Der designierte US-Präsident steht den Milliardenhilfen für die Ukraine ablehnend gegenüber.
Der Wunsch nach einer formellen Einladung in die Nato wurde der Ukraine bis heute nicht erfüllt. Selenskyj erhöht angesichts der russischen Gebietsgewinne in den vergangenen Wochen nun allerdings den Druck. „Die Einladung in die Nato ist eine notwendige Sache für unser Überleben“, sagte er am Sonntag in Kyjiw. Er machte deutlich, dass er sich einen entsprechenden Beschluss beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel an diesem Dienstag und Mittwoch wünsche. Dass es dazu kommt, hält der Ukrainer allerdings für unwahrscheinlich. Als Grund nannte er explizit die Skepsis in den USA, Deutschland und Ungarn.
Es ist sicher davon auszugehen, dass Selenskyj das Thema bei seinem Treffen mit Scholz anspricht. Vor allem die Länder an der Nato-Ostflanke wie Polen und die baltischen Staaten hatten schon im vergangenen Jahr beim Nato-Gipfel in Vilnius auf eine Einladung an die Ukraine gedrungen, während Deutschland und die USA noch nicht so weit gehen wollten.
Ukraine als Wahlkampfthema
Weitere Brisanz erhält der Besuch des Kanzlers durch den beginnenden Wahlkampf. Scholz hebt dabei seine Doppelstrategie in der Ukraine-Politik als Alleinstellungsmerkmal der SPD hervor: Einerseits sichert er der Ukraine weitere Waffenlieferungen für den Abwehrkampf gegen Russland zu. Andererseits will er verhindern, dass Deutschland und die Nato in den Krieg hineingezogen werden.
Konkret bedeutet das, dass Scholz die schon im Mai 2023 von der Ukraine erbetenen Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern nicht liefert und auch keine grundsätzliche Erlaubnis für den Einsatz der von Deutschland gelieferten Waffen gegen russisches Territorium erteilt. Einzige Ausnahme ist die Region um die ukrainische Großstadt Charkiw nahe der Grenze, wo die deutschen Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von 84 Kilometern eingesetzt werden dürfen.
Beim Wahlkampfauftakt der SPD warf Scholz seinem Herausforderer Friedrich Merz (CDU) am Wochenende vor, mit seinem Ukraine-Kurs die Sicherheit Deutschlands aufs Spiel zusetzen. Der Unions-Kanzlerkandidat wolle der Nuklearmacht Russland mit Blick auf eine mögliche Taurus-Lieferung ein Ultimatum stellen, sagte Scholz. „Ich kann da nur sagen, Vorsicht: Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch Roulette.“ Merz hatte im Bundestag vorgeschlagen, der russischen Führung mit der Lieferung von Taurus an die Ukraine zu drohen, falls sie die Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung nicht einstelle.
Für Irritationen sorgt in der Ukraine nicht nur Scholz’ Haltung zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele auf russisches Gebiet, sondern auch das diplomatische Agieren des Kanzlers. Mitte November hatte Scholz zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Selenskyj sagte anschließend, Scholz habe damit die „Büchse der Pandora“ geöffnet.
Ähnlich äußerte sich der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksij Makeiew, am vergangenen Freitag. „Wir haben gesehen, dass Russland und Putin nicht auf Gespräche setzen, sondern auf harte Taten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Russland müsse nun mit „harten Tatsachen“ dazu gezwungen werden, sich aus der Ukraine zurückzuziehen.
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