Kannibalismus und Folter: 30 Jahre Haft für Warlord aus Kongo
Roger Lumbala führte in der Demokratischen Republik Kongo einst eine brutale Rebellengruppe. Jetzt hat ihn ein Gericht in Paris verurteilt.
Es ist ein historisches Urteil: Ein Gericht in Paris verurteilte am Montagabend den Kongolesen Roger Lumbala zu 30 Jahren Haft wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es ist der erste und bisher einzige Schuldspruch eines ausländischen Gerichts gegen einen kongolesischen Warlord für Verbrechen während des „großen“ Kongokrieges von 1998 bis 2003, als die Demokratische Republik Kongo faktisch zerfallen war.
Der heute 67-jährige Lumbala führte die bewaffnete Gruppe RCD-N (Kongolesische Sammlung für Demokratie – National), die von 2000 bis 2003 Gebiete im Nordosten des Landes beherrschte. Der einstige Demokratieaktivist hatte sich mit der Kongokriege 1996 wechselnden Rebellionen angeschlossen und war in den Mineralienhandel eingestiegen. Mitte 2000 gründete er in der Stadt Bafwasende die RCD-N als Abspaltung einer Abspaltung einer Rebellengruppe. Angeblich suchte Ugandas Armee einen willfährigen Statthalter für ihre Diamantengebiete.
Berühmt wurde Lumbalas RCD-N durch die Teilnahme an der Militäroperation Effacer le Tableau (Die Tafel abwischen) des wichtigsten prougandischen Rebellenführers Jean-Pierre Bemba. Der wollte von 2002 bis 2003 möglichst viele Gebiete erobern, bevor ein Friedensprozess die Frontlinien fixierte. Lumbala machte mit, Bemba war damals Kongos erfolgreichster Warlord.
Leidtragende waren vor allem die Bambuti-Pygmäen – die ursprünglichen Bewohner der riesigen Regenwälder von Ituri, die in den Augen vieler Kongolesen nicht als normale Menschen gelten, sondern als Waldwesen mit übernatürlichen Kräften. Augenzeugen dieses Terrorfeldzuges beschrieben ein Bild des Horrors: MLC- und RCD-N-Kämpfer überfielen Waldsiedlungen und stellten die Pygmäen vor die Wahl, ihnen entweder Fleisch zu liefern oder selbst gegessen zu werden. Pygmäen zu essen, verleihe magische Kräfte, glaubten manche.
Vergewaltigung, Folter, Kannibalismus – die Vorwürfe prallten damals an den Warlords ab. Beim Friedensschluss zwischen den Bürgerkriegsparteien in der DR Kongo 2003 wurde Bemba Vizepräsident und Lumbala Außenhandelsminister.
Bei Kongos ersten freien Wahlen 2006 kandidierte Lumbala als Präsident und ging mit 0,45 Prozent unter. Er tauchte erst sieben Jahre später wieder auf, als Unterhändler der Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) bei deren ersten Friedensgesprächen mit Kongos Regierung in Uganda 2013.
Alle politischen Kräfte der DR Kongo kennen Lumbala also seit Langem. Aber niemand sprang ihm bei, als er 2021 in Frankreich – wo er seit Studienzeiten einen Wohnsitz hat – verhaftet wurde. 2023 wurde Anklage aufgrund der Verbrechen seiner RCD-N erhoben. Der Prozess begann am 12. November 2025 und dauerte gut vier Wochen. Dutzende Überlebende des Krieges sagten als Opferzeugen aus. Lumbala bestritt die Zuständigkeit der französischen Justiz, entließ am ersten Verhandlungstag seine Verteidigung und boykottierte den Prozess bis zur Urteilsverkündung.
Nun sieht sich Lumbala als Bauernopfer. Jean-Pierre Bemba ist heute Kongos Verkehrsminister. Constant Ndima, Oberkommandierender der Operation „Effacer le Tableau“, stieg in Kongos Armee zum General auf. Doch Lumbala ist der Einzige, der verurteilt wurde.
Lumbala hielt sich immer für bedeutsamer, als er tatsächlich war. Während der Operation „Effacer le Tableau“ sagte er laut Gerichtsakten in einem Interview, natürlich seien die RCD-N-Kämpfer ihm unterstellt, sonst würden sie das alles nicht machen. Das Interview wurde in Paris vor Gericht verlesen.
Mehr Beweise brauchte es eigentlich nicht.
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