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Kann nit mehr BAP sage Von Wiglaf Droste

Ausgerechnet im Schlafwagen, müde, nackt und ziemlich wehrlos, kriegte er mich: Wolfgang Niedecken alias BAP, der Mann, dessen penetrant einem um die Sinne geschlagenen beruflichen Werdegang ich seit Jahren konsequent zu ignorieren versuche – was schwierig ist, denn der Kerl und seine PR- Maschine sind klebrig.

Was war nur geschehen? Ich war in Frankfurt am Main gewesen, der Stadt, wo die Leute anstelle einer Stirn ein Display tragen, auf dem der aktuelle Kontostand aufleuchtet; die ideelle Gesamtversinnbildlichung Frankfurts (und speziell der Frankfurter Grünen) ist ein gigantischer Hintern, der sich in einem eher kleinen Kopf breitmacht.

Froh, diesem Kaff den Rücken zu kehren, machte ich es mir im Schlafwagen bequem, trank noch ein Glas – „Auf alle, die entkommen!“ – und begann, die Geschichte „Goldschuß-Goofy gegen Dampfroß-Danny“ (Disneys Taschenbuch Nr. 109, Seite 147ff.) zu lesen, konnte mich aber nicht recht konzentrieren, denn irgend etwas Übles, Bösartiges, ja geradezu Frankfurterisches verbreitete seine miese Aura in dem kleinen Abteil. Bald wurde ich fündig: Das Gratismagazin der Deutschen Bahn AG, ein Heftchen namens Zug, hatte mir der Schlafwagenschaffner in freundlich gemeinter Gedankenlosigkeit hingelegt, und auf dem Titel der Novemberausgabe, unten auf der Ankündigungsleiste, prangte der Name von Ihro Penetranz: „AUF TOUR BAP-Sänger Wolfgang Niedecken“.

Weil man durch das, was einen quält, hindurch muß, um es abhaken zu können, oder, wie Jörg Fauser schrieb, weil „die Scheiße des Lebens jeden Tag neu breitgetreten werden muß“, tat ich mir auch das noch an: „BAP war anders. Nicht abgehoben, noch nicht einmal exzentrisch. Hotelzimmer verwüsten? Dafür war man viel zu ehrlich“, hieß es in der „Ehrlich währt am längsten“ betitelten Geschichte über den ehrlichen Menschen und den ehrlichen Künstler Wolfgang Niedecken, der alles, was er ehrlich sagt und ehrlich tut, auch ehrlich meint, egal, wie ehrlich eklig es ist:

Mit Christoph Dieckmann, dem verquollenen IKEA-INRI, auf dem Balkon sitzen und ein Buch zusammenplappern über, natürlich, Jugendliche und so; mit Nazis „reden“ und sie „verstehen“ wollen, weil „Kristallnaach!“ nur brüllen eben doch nicht so richtig authentisch ist; für die Lego-Layout- Zeitung Die Woche nicht nur werben, sondern sich im selben Blatt selber „Loyalität“ attestieren, ohne zu erwähnen, daß „Loyal“ das Hundefutter bei Aldi ist; mit seiner Frau, ob sie nun „Carmen“ hieß oder „Tina“ heißt, hausieren gehen und herumprahlen und auch der Zeitschrift Zug ein Foto von ihr geben, damit jeder im Lande weiß, wie strähnchenblond und zahngepflegt und sonnenbrillig sie doch den rechten Arm des nicht minder gefönten BAP-Grinsekopfes auszufüllen versteht, und dabei, laut Auskunft von Niedecken, in gewissen Situationen „schnurrt wie eine räudige Katze“.

Denn das ist Ehrlichkeit: erst sich selbst ein Leben inklusive Empfindungen undsoweiter aufbügeln, dann bei sich selbst den Spitzel machen und allen alles verraten und damit durchs Land plachandern als Bonitätsdarsteller. Und natürlich Hotelzimmer ganz doll liebhaben. Ehrlich. BArPs.

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