Kandidatin über Wahlen in Burundi: Die Wütenden
Weil die Regierung korrupt ist, hat Burundis Jugend keine Chance. Cynthia Munwangari stellt sich deshalb zur Wahl auf – aus dem Exil.
Sie hat in Kampala Schutz gesucht, erzählt Munwangari. Von Uganda aus versuchte sie in den vergangenen Wochen ihren Wahlkampf zu führen: per Facebook, E-Mail und Twitter. Munwangari ist mit 24 Jahren Burundis jüngste Kandidatin für die Parlamentswahlen, die am Montag nach langem Hin und Her stattfinden sollen – als Vorlauf für die Präsidentschaftswahl im Juli.
Seit Burundis Regierungspartei CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) im April entschieden hat, den amtierenden Präsidenten Pierre Nkurunziza erneut als Kandidaten aufzustellen, herrscht in dem kleinen Land zwischen Tansania und Kongo Chaos.
Gemäß Verfassung darf Nkurunziza eigentlich nicht zu einer dritten Amtszeit antreten, doch das Verfassungsgericht hatte zugestimmt. Daraufhin gingen die Menschen in Bujumbura wochenlang auf die Straße. Die Polizei schlug die Demonstrationen immer wieder nieder. Rund 70 Menschen starben, Tausende wurden verhaftet.
„Ich habe mich nicht mehr sicher gefühlt“
Im Mai wurde der Putschversuch eines Generals vereitelt. Seitdem haben die Menschen in Burundi Angst. Polizisten und die Jugendmiliz der Regierungspartei, die „Imbonerakure“, machen Jagd auf Oppositionelle, gehen von Haus zu Haus, erschießen sogar verletzte Demonstranten in ihren Krankenhausbetten. Fast täglich ist in Bujumbura Gewehrfeuer zu hören, vergangene Woche starben sieben Menschen bei Granatenanschlägen.
Land: Burundi am Tanganjikasee ist eines der ärmsten Länder der Welt. Im Bürgerkrieg von 1993 bis 2003 starben 300.000 Menschen. 2005 kam die Hutu-Rebellengruppe CNDD-FDD unter Pierre Nkurunziza per Friedensvertrag an die Macht.
Wahlen: Am 29. Juni finden Parlamentswahlen statt, am 15. Juli Präsidentschaftswahlen. Nkurunziza kandidiert für eine dritte Amtszeit. Die Opposition lehnt das ab.
Sorgen: Burundi gilt in Afrika jetzt als Testfall dafür, ob ein Präsident es schafft, länger als erlaubt an der Macht zu bleiben. Auch die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg ist groß.
Über 100.000 Burundier sind nach Nachbarländern wie Uganda und Ruanda geflohen, darunter fast die ganze Opposition. Vizeprädient Gervais Rufyikiri und Parlamentspräsident Pie Ntavyohanyuma setzten sich vergangene Woche nach Belgien ab. Jeder, der nicht auf der Seite des Präsidenten steht, fürchtet jetzt um sein Leben.
Deswegen ist auch Munwangari vor drei Wochen ausgereist. „Ich habe Anrufe und SMS bekommen, man warf mir vor, die Opposition zu unterstützen und die Proteste finanziert zu haben“, sagt sie. Ihr Bruder sei angeschossen worden, als er spät abends unterwegs gewesen sei. Ab 23 Uhr gilt Ausgangssperre. „Ich habe mich nicht mehr sicher gefühlt“, sagt sie. Sie schaut auf ihr Smartphone.
Munwangari ist es nicht gewohnt, nicht gemocht zu werden. Sie ist Model und in Burundi berühmt wie Claudia Schiffer in Deutschland. Sie hat im vergangenen Juli die Modemesse in Bujumbura veranstaltet, mit Hunderten Gästen aus aller Welt. An Geld mangelt es ihr nicht: Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie und verdient mit ihrem eigenen Modelabel so viel, dass es auch für einen Wahlkampf reicht.
Junge Leute führen die Proteste an
Noch dazu kennt sie einflussreiche Geschäftsleute in Bujumbura. „Viele haben die Korruption und die Rechtsunsicherheit so satt, dass sie Oppositionelle wie mich unterstützen“, sagt sie. Als Model steht sie gern im Rampenlicht. Das gibt sie offen zu. Mode sei zwar ihre Leidenschaft. Aber schon als kleines Mädchen habe sie Präsidentin werden wollen. „Ich habe vor dem Spiegel Volksansprachen geübt.“ Sie flippt durch die Fotos auf ihrem Telefon.
Munwangari vertritt eine junge, aufstrebende Generation Burundier, die fast die Hälfte der Bevölkerung ausmacht und die zum größten Teil nach dem Bürgerkrieg aufgewachsen ist. Sie studiert Psychologie und gehört zur urbanen Elite, die in dem sonst so ländlich geprägten Land ein anderes Lebensgefühl verkörpert, die Partys feiert und über soziale Netzwerke mit der ganzen Welt kommuniziert. Eine Generation, deren junge Frauen Masterabschlüsse machen und Karrieren anstreben, anstatt früh Kinder zu kriegen. Die Zugehörigkeit, Hutu oder Tutsi, spiele kaum mehr eine Rolle, sagt Munwangari: „Ich bin Tutsi, aber wir jungen Leute lassen uns nicht mehr gegeneinander aufhetzen.“
Die Massenproteste gegen den Präsidenten werden angeführt von den jungen Leuten, die sich gemeinsam gegen ein Regime auflehnen, das ihnen wegen der Vetternwirtschaft keine Chancen gibt. Dabei ist Präsident Nkurunziza selbst erst 42 Jahre alt, Priester und leidenschaftlicher Fußballspieler in seinem Halleluja-Team. „Eigentlich ein netter Gentleman“, sagt Munwangari. Es gibt keinen anderen Präsidenten in Afrika, dem man sonntags zuerst beim Predigen und anschließend beim Fußballspielen zusehen kann – am Strand des Tanganjikasees.
Sie zeigt Fotos auf ihrem Smartphone, auf denen sie neben dem Präsidenten steht. Er hatte sie vergangenes Jahr eingeladen, um ihr zu danken, dass ihre Modenschau Burundi ein frisches Image in der Welt verschafft habe. Sie kannte ihn auch davor schon, ihr Vater stammt aus derselben Provinz im Norden, Ngozi, und war in seiner Jugend mit dem Präsidenten in die Kirche gegangen. Heute ist sie von Nkurunziza enttäuscht: „In seiner Rede nach dem Putsch war er so wütend auf die Demonstranten“, sagt sie. „Dabei sollte er wie ein Vater Verständnis für seine Kinder aufbringen.“
Politikverdrossene mobilisieren
Vor wenigen Tagen hat sie ihm geschrieben. Ihre Anklage trägt den Titel „Brief an den Präsidenten – von einer Mutter“. Darin steht: „Herr Präsident, es gibt ein paar Dinge, die ich verstehen möchte: Können Sie das Wohl unserer Kinder sicherstellen, obwohl die Schulen und sämtliche Sozialeinrichtungen geschlossen sind?“ Sie selbst habe zwar noch keine Kinder, sagt sie. „Doch wer in die Politik geht, muss sich als Mutter oder Vater einer Nation verstehen.“ Sie hat sich gegen eine Partei entschieden. Als unabhängige Kandidatin, sagt sie, vertritt sie die jungen Leute aus der Hauptstadt, die eigentlich sonst nicht wählen gehen würden. Sie hofft auf ihre Stimmen.
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Doch genau da liegt auch das Grundproblem der Opposition in Burundi. Der Staat zählt zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt auf dem Land, jenseits von Stromanschlüssen, Internet, Facebook und Twitter. Die Landbevölkerung unterstützt Präsident Nkurunziza, denn er gilt als einer von ihnen. Mit Fußball und Predigten erreicht er die Bauern in den Dörfern.
Munwangari lebt mit ihren Smartphones in einer ganz anderen Welt, wie so viele Oppositionelle, die meist aus der Hauptstadt stammen und andere Ansprüche an die Regierung stellen als die verarmte Mehrheit der Bevölkerung.
Auch die Politikverdrossenen zu mobilisieren ist nicht einfach. Munwangari gibt zu, dass sie bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2010 zwar alt genug gewesen sei, um abstimmen zu können, aber keinen Sinn darin gesehen habe. Wenn sie ehrlich sei, glaube sie, dass es keine Rolle spiele, wer gewählt werde. „Die tatsächliche Macht haben Männer im Hinterzimmer“, sagt sie. Damit meint sie zum Beispiel den Exgeheimdienstchef General Adolphe Nshimirimana, der auch die Niederschlagung des Putsches und der Proteste organisiert haben soll und der gerade die Jugendmiliz steuert.
Kein Wahlkampf in Burundi
Er gilt als der Puppenspieler hinter Präsident Nkurunziza, der tatsächlich oft wie eine Marionette wirkt. Nshimirimana ist einer der reichsten Geschäftsleute in der Region. Sollte der Präsident die Macht abgeben, verliert auch Nshimirimana alles. Da riskiert er lieber einen Bürgerkrieg, um an der Macht zu bleiben.
„Ich bin gegen diese endlose Korruption, Vetternwirtschaft und Ungerechtigkeit“, sagt Munwangari. Deshalb tritt sie an. Sie zeigt stolz ein Foto von der Kandidatenliste des Wahlbezirks Bujumbura. Ihr Name steht auf Platz fünf von zwölf.
Sie wollte eigentlich kurz vor der Wahl zurück nach Burundi reisen, um noch ein bisschen Wahlkampf zu machen. Aber als der Vizepräsident geflohen sei, habe sie sich dagegen entschieden. Zu gefährlich. „Oppositionelle werden gezielt getötet“, sagt sie. „Diese Wahlen sind nicht glaubwürdig.“
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