Kandidatin für US-Haushaltsbehörde: Gegenwind von links und rechts
Neera Tanden ist die bislang umstrittenste Personalie im Team Biden. Nicht nur Republikaner:innen wettern gegen sie. Wer ist diese Frau?
Es ist die bislang kontroverseste Personalentscheidung des designierten US-Präsidenten Joe Biden: Neera Tanden soll Chefin einer Behörde werden, deren Bedeutung durch die Bezeichnung Office of Management and Budget (OMB – Amt für Verwaltung und Haushalt) eher verschleiert als unterstrichen wird. Tatsächlich wäre Tanden als OMB-Chefin für die Verwaltung des US-Regierungshaushalts zuständig, eine Position, deren Einfluss kaum überschätzt werden kann.
Und schon regt sich Widerspruch gegen die 50-Jährige: Sie sei „radioaktiv“ und „vielleicht Bidens schlechteste Kandidatin bislang“, sagte der republikanische Senator John Cornyn, um zu unterstreichen, dass sie eine Wackelkandidatin sei. Für den republikanischen Senator Tom Cotton ist Tandens Rhetorik „hasserfüllt und linksmotiviert“. Letzteres sehen die Linken innerhalb der Demokratischen Partei allerdings ganz anders.
Tanden, 1970 in Bedford, Massachussettes, als Tochter von aus Indien eingewanderten Eltern geboren, gehört seit den frühen 1990er Jahren zum engen Freundes- und Berater*innenkreis von Bill und Hillary Clinton. Von Hillary Clintons Vorwahlkampagne 2008 wechselte sie zum erfolgreichen Kandidaten Barack Obama. In dessen Regierung war sie als Gesundheitsberaterin dabei, gilt als eine der Architekt*innen des als „Obamacare“ bekannt gewordenen Affordable Care Act.
Im Jahr 2011 übernahm sie die Leitung des acht Jahre zuvor gegründeten linksliberalen Thinktanks Center for American Progress, dem sie bis heute vorsteht. Innerhalb des zentristischen Clinton-Lagers gilt sie als progressiv – innerhalb der Gesamtpartei jedoch als eher linkenfeindlich.
Dieses Etikett ist wohl vor allem auf ihre derbe Gegnerschaft zu Senator Bernie Sanders zurückzuführen, mit dem sie nicht nur politisch über Kreuz liegt – beide können sich, das konnte aus öffentlich ausgetragenen Streitereien unschwer herausgelesen werden, offenbar auch persönlich nicht leiden.
Bauernopfer oder megaqualifiziert?
Dass aus der Linken zunächst trotzdem kein allzu lauter Aufschrei gegen Tandens Nominierung kam, liegt wohl an der Alternative: Bidens früherer Stabschef Bruce Reed, der eigentlich als Favorit für den Posten gehandelt wurde, gilt als strikter Austeritätsverfechter.
Die Bestätigung der gelernten Juristin im Senat ist offen und dürfte auch davon abhängen, wie die Nachwahlen für zwei Senatssitze am 5. Januar in Georgia ausgehen. Behalten die Republikaner die Kontrolle über den Senat, dürfte Lindsey Graham Vorsitzender des Haushaltsausschusses werden, wo Tandens Anhörung stattfinden würde. Auch er sieht ihre Nominierung kritisch.
Der Stabschef des republikanischen Mehrheitsführers Mitch McConnell, Josh Holmes, hält Tendan schon für ein Bauernopfer Bidens, um andere Nominierungen glatt durchzubringen.
Demokraten widersprechen: Tanden sei so dermaßen qualifiziert für den Job, dass sie in der Anhörung auch Republikaner für sich gewinnen werde, prophezeit etwa John Podesta, ihr Vorgänger beim Center for American Progress.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo