: Kanaka-Roman
■ Das „FSK“ sendet den Livemitschnitt einer Lesung von Emine Sevgi Özdamar
Als 1998 Emine Sevgi Özdamars Die Brücke vom Goldenen Horn erschien, bekrittelte eine Rezensentin, die Passagen am Ende des Romans, die in der Türkei spielen, würden stilistisch, an Tempo und Inhalt gegenüber den Deutschland-Passagen enorm abfallen. Doch genau dies ist es, was sich vielleicht als Charakteristikum eines neuen Schreibens von MigrantInnen hierzulande in den 90er-Jahren beschreiben lässt: die Konzentration auf ein Leben in Deutschland auch in der Fiktion.
Die 80er dagegen waren geprägt von meist wehleidigen Heimatromanen, oder – schlimmer – -gedichten, vom Reden über ein Leben zwischen zwei Stühlen, auf denen jeweils eine von zwei – selbstverständlich unvereinbaren – Kulturen verortet wurde. Damit hat Özdamar, die als Schauspielerin, etwa in Yasemin oder Happy Birthday Türke, bekannt geworden ist, etwa zeitgleich mit Feridun Zaimoglu Schluss gemacht. Sie ist dabei allerdings zurückhaltender aufgetreten, weshalb ihr Roman in der hiesigen Rezeption ganz zu Unrecht der staubigen Gastarbeiterliteratur zugerechnet und viel zu wenig gelesen wurde.
FSK sendet heute und am 14. Juni den Radiomitschnitt einer Lesung von Özdamar. Wer also nicht gleich das Buch kaufen will, kann hier erstmal überprüfen, wieviel haargenaue Beobachtung, Lakonik und Sprachwitz die Geschichte von der 17-jährigen Türkin aus Die Brücke am Goldenen Horn hat. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich – auch darin eine Breitseite gegen Klischees – 1966 ganz allein nach Deutschland aufgemacht hat und zunächst in der Produktion bei Telefunken gelandet ist.
Christiane Müller-Lobeck
heute + 14.6., 12 Uhr, FSK (93 MHz, Kabel 101,4 MHz)
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