Kanadische Band Teke::Teke: Visionäres Frankenstein-Rework

Das Septett Teke::Teke aus Montreal macht alles anders. Es ist inspiriert von japanischem Rock'n'Roll und mischt auf dem Album „Hagata“ Jazz dazu.

Die sieben Musiker:Innen von Teke::Teke, in leicht verschwommener Kameraobtik

Leicht verschwommen und schwer beeindruckend: Teke::Teke aus Montreal Foto: Samuel Woywitka

Auch in der zusammenwachsenden Welt schlägt Entdeckerfreude die interessantesten Funken. Als Gitarrist Serge Nakauchi Pelletier, Posaunist Étienne Lebel und Drummer Ian Lettre in der Liveband des kanadischen Rappers Boogat dessen lateinamerikanische Wurzeln zum Erklingen brachten, entdeckte das Trio aus der Montrealer Musikszene eine Gemeinsamkeit:

Alle drei mochten den japanischen Gitarristen Takeshi Terauchi. Terauchi hatte in den 1950ern in japanischen Countrybands für GIs aufgespielt und wurde nebenbei zum Pionier von Rock ’n’ Roll und Surfsound in Fernost. Ihm zu Ehren nannten sie sich Teke::Teke. Bald kamen Hidetaka Yoneyama, Maya Kuroki, Mishka Stein und Yuki Isami hinzu und die kanadische Band wurde zum Ensemble.

Im Sound des Septetts spielen japanische Flöten mit der Posaune gegen knirschende Gitarren, tanzen um glitzernde Arrangements und lassen sich vom Stomp des Rock ’n’ Roll einen kräftigen Stoß versetzen. Man hört die schlanke, fordernde Gitarre des Heroen Terauchi noch heraus. Alsbald reihen sich weitere Elemente der Sixties-Ästhetik ein, etwa Verweise auf die auch in Japan hoch geschätzte brasilianische Tropicália und verführerische Visionen des Autorenkinos vom schönen Leben und dem Zerfall.

Mit Letzterer beginnt auch das Album „Hagata“ von Teke::Teke. Während tanzwütiger Folk­rock rustikal mit den Klängen der japanischen Laute anbandelt, erzählt eine Stimme wie aus dem Kyōgen-Theater vom Plastikmüll, der die Herrschaft über die Erde antritt, derweil sich der Song des Jazzrock annimmt, bis es aus allen Ecken grausig wiehert. Nach so viel Gefahr erwirkt die Rock-’n’-Roll-Gitarre zum Auftakt des zweiten Stücks eher ein Idyll.

Nicht, dass das Spiel mit den Elementen und kulturell codierten Klängen japanischem Progressive Rock fremd wäre. Man höre japanische Bands der 1970er wie Yonin Bayashi, Sadistics und Bi Kyo Ran. Ist Teke::Teke nicht eigentlich eine Band aus Montreal? Was hier auf ihrem zweiten Album zur klanglichen Geschlossenheit findet, bedient sich seiner Elemente ganz ähnlich, wie man in Japan angloamerikanischen Rock aufnahm.

Teke::Teke: „Hagata“ (Killrockstars/Rough Trade)

Aus all der perfektionistischen Umsetzung, in all den erruptiven Überhöhungen lugt verwunderte Distanz. Einst eine kulturelle Distanz, ist es heute die Distanz der Zeit. Nun kann Teke::Teke nach einigen Sekunden mit einladenden Bläserharmonien beglücken.

Soweit denn eine Band beglücken will, die ihren Namen von der urbanen Legende eines verunfallten Mädchens ohne Unterleib ableitet, das durch Nagoyas U-Bahn spuken soll. Auch im punkigen Stomp von „Hoppe“ verbirgt sich eine Schauergeschichte, die der ewigen Wiederkehr des Alten, nein der Alten, die Welt ist verloren.

Becircender Sixties-Pop mit Western-Twang

Das nachdenklich, instrumentale „Me no heya“ kündigt subtilere Experimente an. Inmitten deren swingt der becircende Sixties-Pop von „Doppelgänger“, welcher mit seinem Western-Twang an The Monochrome Set, diese clevere Londoner Postpunk-Band, erinnert, aber deren penetranten Zynismus gegen Melancholie tauscht. Wieder geht es ums Altern und wie dieser Umstand Menschen entzweit.

Ab da wirkt die Musik delikater. Man gewinnt den Eindruck, dass Rock – jenseits von Crossover-Klischees – als Frankenstein-Patchwork aus alten Sounds und Ideen seine Zukunft sucht. Aber was sind Te­ke:­:Teke nun? Am poetischsten beschreiben sie es selbst in einem Songtext: „A Martian wearing a cowboy-hat sits alone on a concrete bloc, sipping on canned coffee“.

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