Kampf um Torwart-Posten in DFB-Team: Adlers Chance

René Adler will bei der WM 2010 Deutschlands Torhüter Nummer eins sein. Nach Robert Enkes Handverletzung darf er sich früher profilieren als geplant.

Fliegen ist schneller als Laufen: René Adler will im Tor die Nummer eins werden. Bild: dpa

Schon seit Längeren zweifelt kaum einer daran: René Adler ist der kommende Mann im deutschen Tor. Für Robert Enke waren die Leistungen des Herausforderers um die Position der Nummer eins im deutschen Tor Motivation genug, alles aus sich herauszuholen. Jetzt hat sich der Hannoveraner verletzt, hat sich im Training der DFB-Elf die Hand gebrochen. Adler darf früher als geplant auf der ganz großen Bühne zeigen, was er kann. Im WM-Qualifikationsspiel gegen Russland am Samstag ( 20.45 Uhr/ARD) wird er das Tor hüten.

Rüdiger Vollborn braucht nicht mehr als zwei Sätze, um zu illustrieren, wie der perfekte Keeper für ihn aussieht. Der Torwarttrainer von Bayer Leverkusen wirft einfach einen Blick über die Schulter und sagt: "Da müssen sie sich nur den René angucken. Der ist rundum gelungen."

Das Lob des kritischen Lehrers an die Adresse seines Schützlings hat seinen Grund. Dass Adler bereits vor Enkes Verletzung die Nummer eins geworden wäre, hätte er sich nicht unmittelbar vor dem Start in die WM-Qualifikation verletzt, steht für seinen Spezialtrainer außer Frage: "Wenn er sein Niveau abruft, dann ist es schwer, an ihm vorbeizukommen."

Die Leistungen des jungen Keepers stehen wie ein unübersehbares Ausrufezeichen da. In Leverkusen verdrängte er den routinierten Hans-Jörg Butt. In seinem ersten Bundesliga-Spiel hielt er nicht bloß fehlerfrei, er sicherte den Sieg gegen Schalke. Es erinnerte ein wenig an den Aufstieg des Spaniers Iker Casillas. Doch Adler, ein stiller Vertreter, der genug Autorität gegenüber seinen Mitspielern ausstrahlt, um auf Kahnsche Eruptionen verzichten zu können, habe anfänglich Probleme mit Ehrgeiz und Anspruchsdenken gehabt. Vollborn: "Die Ziele musste ich ihm setzen." Bisher läuft es nach Plan. In kleinen Etappen soll sich der Weg zur Weltkarriere vollziehen. 2008 sollte er mitreisen zur Europameisterschaft als Nummer drei hinter den Herren Lehmann und Enke. Es gelang. In Südafrika, in der Weltmeisterschaft, soll die deutsche Nummer eins dann Adler heißen.

23 Jahre ist René Adler alt. Er stammt aus Leipzig, sein Elternhaus verließ er früh, und wenn er heute zurückblickt auf das "besondere Verhältnis" zu seinem Trainer, dann erscheint es wie eine Sammlung schriller Episoden. Als er 15 Jahre alt war, sah ihn der ehemalige Leverkusener Torwart zum ersten Mal in einem DFB-Juniorenteam. "Granate", sagt Vollborn ,"das fiel mir sofort zu ihm ein. Der hatte unglaubliche Flugphasen. Wenn er abgesprungen war, dann kam er erst nach einer halben Stunde wieder runter."

Vollborn lotste Adler zu Leverkusen, und weil der Klub kein Fußball-Internat unterhielt, baute er ihm das heimische Dachgeschoss aus. Es war eine kuriose Zeit. "So wie das halt ist, wenn man mit 37 noch mal Vater eines 15-Jährigen wird. Denn Spaß hatten die anderen, die Arbeit hatte ich", sagt der Vater zweier Söhne. Mitten in den Wirren der Adoleszenz brachte Adler manche Irritation in den Haushalt Vollborn. Doch daraus ergab sich eine spezielle Beziehung. Fremd habe er sich nicht lange gefühlt, vielmehr nach kurzer Zeit "wie ein vollwertiges Mitglied" der Familie. Sie kommunizieren noch immer viel miteinander, während des Trainings und auch danach. Nicht immer geht es dabei um Fußball. Vollborns kritische Haltung hat sich auf seinen Schützling übertragen, der tagtäglich seine Leistungen hinterfragt. "Er weiß, wie gut er ist. Aber er weiß auch, wie schwer der Weg dorthin war." Das Ergebnis sind anderthalb weitgehend fehlerfreie Spielzeiten in der Bundesliga; garniert mit einer atemberaubenden Flugshow und einem Stellungsspiel, mit dem nicht einmal Jens Lehmann konkurrieren kann. Unfassbare Reflexe, verbunden mit enormer Elastizität, machen das Leverkusener Tor für Distanzschüsse so gut wie unverwundbar: Kein deutscher Torhüter wurde mit Kicks von außerhalb des Strafraums seltener bezwungen als Adler.

Für Vollborn ist der junge Formvollendete gleichzeitig die Legitimation seiner Arbeit in Leverkusen. Denn mit seinem Credo hat es der Lehrer als untypischer Vertreter der sachlichen deutschen Torwartschule nicht leicht gehabt: Fliegen ist schneller als Laufen. Und wenn Vollborn von einer Philosophie des Torwartspiels spricht, die er Adler vermitteln wolle, dann weiß er es auch rhetorisch zu belegen - anhand eines Zweikampfs gegen einen Stürmer etwa, wo jede Entscheidung die falsche sein kann: "Da bewegen wir uns in einem Feld, wo es immer heißt: schwarz oder weiß. Aber manchmal ist die Lösung grau."

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