: Kampf gegen die billigen Nachbarn
■ Zornige Franzosen vermasseln den spanischen Bauern das Geschäft: Überfälle auf Lkws und Kontrollen auf unerwünschtes Obst und Gemüse in den Läden
Madrid (taz) – Spaniens Bauern befürchten trotz Rekordernte leere Kassen. Seit ihre Kollegen auf der anderen Seite der Pyrenäen verärgert über die weitaus niedrigeren Erzeugerpreise Jagd auf spanische Lkws und Großhändler machen, wissen sie nicht wohin mit ihrem Obst und Gemüse. Der Inhalt von zwei Lagerhallen auf dem Großmarkt in Nantes und mindestens zehn Trucks fielen den aufgebrachten Mitgliedern der französischen Bauerngewerkschaft Coordination Rural zum Opfer. Für einen der Fahrer endete der Überfall auf seinen Sattelschlepper im Krankenhaus.
„Bereits jetzt belaufen sich die Verluste auf mindesten 300 Millionen Mark“, rechnet der Vorsitzende des spanischen Verbandes der Kleinbauern (UPA), Fernando Moraleda, vor. Der Zeitraum für Exporte läuft ab, und die Lagerhallen sind noch immer voll. In den Mittelmeerregionen Murcia und Valencia haben die Landwirte bereits damit begonnen, Obst und Gemüse zu vernichten.
Spaniens Landwirtschaftsministerin Loyola de Palacio wirft der Pariser Regierung Untätigkeit vor: „Die Gendarmerie schaut einfach weg.“ Die einzigen zwei Verhafteten wurde vorgestern wieder auf freien Fuß gesetzt. In verschiedenen Landkreisen im Süden Frankreichs würden, so de Palacio, Lebensmittelgeschäfte durch die Cordination Rural regelmäßigen Kontrollen unterzogen, um zu verhindern, daß sie ausländische Produkte anböten. „Das sind Mafiamethoden gegen die spanischen Produkte, die nicht nur billiger, sondern auch von höherer Qualität sind“, protestierte de Palacio bei ihrem französischen Kollegen Philippe Vaseur. Dieser zeigt wenig Interesse, die gewalttätigen Proteste zu stoppen: In Frankreich ist Wahlkampf. Die Regierung möchte es sich nicht mit einer ganzen Wählergruppe verscherzen.
Spanien führte im letzten Jahr 1,4 Millionen Tonnen landwirtschaftlicher Produkte im Wert von 4,6 Milliarden Mark nach Frankreich aus. Die Proteste der französischen Bauern gegen diesen Handel sind so alt wie die spanische EU-Mitgliedschaft. In den letzten zehn Jahren machten sie hauptsächlich gegen die Einfuhr spanischer Erdbeeren Front. Beim EU- Gerichtshof in Luxemburg ist deshalb seit 1995 eine Klage gegen Paris anhängig. Dieses Jahr haben sie den „Erdbeerkrieg“ erstmals auf alle landwirtschaftlichen Produkte ausgeweitet, da neben Spanien jetzt ein zweiter Billigkonkurrent, Marokko, auf den Markt drängt. Ein vor knapp zwei Jahren unterzeichnetes Assoziierungsabkommen der EU mit dem nordafrikanischen Land erhöhte die landwirtschaftlichen Einfuhrquoten beträchtlich. Kleinbauern-Sprecher Moraleda verlangt nun, daß die EU-Kommission endlich einschreitet. Reiner Wandler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen