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Kampf gegen RechtsVon der Leyen züchtet Zeitungsente

Ministerin von der Leyen verkündete nach der Mügeln-Hatz einen Millionen-Zuschuss für den Kampf gegen Rechts - doch das Geld war schon lange zugesagt.

"Was Frau von der Leyen sich geleistet hat, ist ein Skandal": Die Ministerin Bild: dpa

Für den Bundestagsabgeordneten Niels Annen begann der gestrige Tag mit einer bösen Überraschung. Der SPD-Politiker mit dem Fachgebiet Rechtsextremismus musste einsehen: Er war einer Finte aufgesessen. Er hatte die von vielen Medien ins Land getragenen frohe Kunde geglaubt, die lautete: Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) spendiert weitere 5 Millionen Euro für ihr Bundesprogramm gegen rechts. Diese Meldung aber war eine Ente.

"Die Ministerin hat den Eindruck erweckt, es gäbe weitere Mittel für das Programm", empört sich der SPD-Mann. "Die verbreiteten Agenturmeldungen sind von der Ministerin nicht dementiert worden. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang." Von der Leyen habe damit die Öffentlichkeit getäuscht.

Wer die Nachrichten anschaute oder in die Presse blickte, musste in der Tat den Eindruck gewinnen, das Familienministerium baue als Reaktion auf die breite Kritik nun die Förderung aus. So verkündete "Tagesthemen"-Moderator Tom Buhrow: "Bundesfamilienministerin von der Leyen - sie stockt ihr Programm ,Vielfalt tut gut' um weitere 5 Millionen Euro auf." Auch in der FAZ war gestern zu lesen, "dass der Bund seine Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus um 5 Millionen Euro aufstocken wolle". Die "Republikaner" gaben daraufhin sogar eine Pressemitteilung heraus, in der sie die "reflexhafte Verteilung von Steuermitteln an die ,Anti-Rassismus-Industrie' " anprangerten.

Die Falschmeldungen sind das Ergebnis eines Auftritts der Ministerin in Meseberg, der unter PR-Gesichtspunkten vermutlich Spitzenklasse war. Denn von der Leyen nutzte die Chance, sich vor laufenden Kameras auf die Schultern zu klopfen. Die Regierung nehme das Problem ernst, beteuerte sie: "Wir haben deshalb die Mittel aufgestockt um 5 Millionen Euro." Was die CDU-Frau nicht dazusagte: Diese Nachricht war uralt, der Beschluss kam zum Jahreswechsel, also lange vor dem Überfall in Mügeln. Und er kam erst auf Drängen der SPD zustande.

Die Folge: Auf der Suche nach einer knackigen Nachricht aus Meseberg liefen einige Reporter prompt in die Falle. Ganz vorne dabei die Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die um 13.40 Uhr als erste die gute Nachricht meldete: "Von der Leyen stockt Mittel gegen Rechtsextremismus auf." Berichtigt wurde diese Nachricht nicht. Dies sei, im Nachhinein betrachtet, ein "handwerklicher Fehler", räumte der stellvertretende AP-Chef Thomas Rietig gestern ein. Das Familienministerium habe zwar bereits am Donnerstagnachmittag auf das Missverständnis hingewiesen - allerdings keine explizite Berichtigung verlangt. So habe man einfach die nachfolgenden Meldungen zu dem Thema anders formuliert.

Merkwürdig nur, dass den Kollegen bei der Deutsche Presse-Agentur (dpa) wie auch bei Agence France-Presse (AFP) sehr wohl dünkte, dass von der Leyen kalten Kaffee eingeschenkt hatte. Beide Redaktionen ersparten sich die Ente - mit einem Anruf im Bundesfamilienministerium. Er habe sofort versucht, "diese Geschichte einzufangen", versichert von der Leyens Sprecher. "Mein Ohr glüht jetzt noch vom vielen Telefonieren." Dass die Ministerin falsch verstanden wurde, sei nicht ihre Schuld.

Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne), die ebenfalls auf die Meldung hereinfiel, will das so nicht stehen lassen. "Was Frau von der Leyen sich geleistet hat, ist ein Skandal", findet sie. Schließlich habe die Ministerin sich mit Geld geschmückt, das sie selbst über Monate verweigert habe. "Diese 5 Millionen Euro mussten wir Frau von der Leyen hart abtrotzen." Die Ministerin habe zudem verschwiegen, dass die Bundeszuschüsse in den nächsten Jahren sinken sollen, ergänzt Friedemann Bringt, Koordinator der Beratungsteams gegen rechts in Sachsen.

Fragwürdig finden Fachleute auch die Erklärung der Ministerin, Mügeln solle nun nachträglich noch Geld für einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus bekommen. Die Region hatte sich - wie mehr als hundert andere Kommunen bundesweit - vergeblich um eine Förderung aus dem Bundesprogramm beworben. "Bei aller Freude für die Region - Mügeln ist ja nicht das einzige Problem", sagt Bringt. Der Fall mache eigentlich nur das Problem der neuen "Leuchtturmförderung" gegen rechts deutlich. "Die Botschaft darf nicht heißen: Man muss erst Ausländer durch den Ort jagen, damit man Geld bekommt", warnt die Grünen-Frau Lazar.

SPD-Politiker Niels Annen fordert nun von der Ministerin, tatsächlich weitere 5 Millionen Euro bereitzustellen. Wenigstens das sei sie denen schuldig, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus einsetzten.

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9 Kommentare

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  • HD
    Hans Dehmke

    Och, ne ... Da hat die taz noch immer nicht eingesehen, dass es keine Hatz durch den Ort war ...

     

    Viel Ärger um 'ne Festschlägerei von alkoholisiertem Mob. Wäre kein Inder dagewesen, hätt's womöglich Edmund Stoiber erwischt, der die Feste in Bayern langsam satt hat und nun mal in Mügeln vorbeischauen wollte.

  • HW
    Helmit Wolf

    Von den Politikern der CDU/CSU ist doch kein ernsthaftes Bemühen um die Eindämmung des Einflusses neonazistischer Kräfte zu erwarten. Sie werden für den Fall gebraucht, dass die Demokratie nicht mehr in der Lage ist, das Volk ruhig zu stellen. Hat Deutschland doch schon einmal etrfahren müssen.

  • O
    Oldenburgerin

    In Ihrem Artikel schreiben Sie, dass sie weitere 5 Millionen denen schuldig sei, die sich vor Ort gegen Rassismus einsetzen. Wieder jedoch sind diejenigen, die Rassismus am eigenen Leib erfahren, außen vor. Es geht bei der Bereitstellung von Geldern nicht nur um die Professionellen der Anti-Rassismus-Arbeit, sondern auch um die von Rassismus betroffenen. Sie sind diejenigen, die durch die Straßen gejagt werden.

    Weiße AntiRas werden zwar auch angegangen, aber diese Diskriminierungen möchte ich nicht gleichsetzen.

    Das soll jetzt kein Vorwurf sein, lediglich ein Hinweis auf einen weit verbreiteten Blinden Fleck.

    Viele Grüße,

    Zoe

  • HD
    Hans Dehmke

    Och, ne ... Da hat die taz noch immer nicht eingesehen, dass es keine Hatz durch den Ort war ...

     

    Viel Ärger um 'ne Festschlägerei von alkoholisiertem Mob. Wäre kein Inder dagewesen, hätt's womöglich Edmund Stoiber erwischt, der die Feste in Bayern langsam satt hat und nun mal in Mügeln vorbeischauen wollte.

  • HW
    Helmit Wolf

    Von den Politikern der CDU/CSU ist doch kein ernsthaftes Bemühen um die Eindämmung des Einflusses neonazistischer Kräfte zu erwarten. Sie werden für den Fall gebraucht, dass die Demokratie nicht mehr in der Lage ist, das Volk ruhig zu stellen. Hat Deutschland doch schon einmal etrfahren müssen.

  • O
    Oldenburgerin

    In Ihrem Artikel schreiben Sie, dass sie weitere 5 Millionen denen schuldig sei, die sich vor Ort gegen Rassismus einsetzen. Wieder jedoch sind diejenigen, die Rassismus am eigenen Leib erfahren, außen vor. Es geht bei der Bereitstellung von Geldern nicht nur um die Professionellen der Anti-Rassismus-Arbeit, sondern auch um die von Rassismus betroffenen. Sie sind diejenigen, die durch die Straßen gejagt werden.

    Weiße AntiRas werden zwar auch angegangen, aber diese Diskriminierungen möchte ich nicht gleichsetzen.

    Das soll jetzt kein Vorwurf sein, lediglich ein Hinweis auf einen weit verbreiteten Blinden Fleck.

    Viele Grüße,

    Zoe

  • HD
    Hans Dehmke

    Och, ne ... Da hat die taz noch immer nicht eingesehen, dass es keine Hatz durch den Ort war ...

     

    Viel Ärger um 'ne Festschlägerei von alkoholisiertem Mob. Wäre kein Inder dagewesen, hätt's womöglich Edmund Stoiber erwischt, der die Feste in Bayern langsam satt hat und nun mal in Mügeln vorbeischauen wollte.

  • HW
    Helmit Wolf

    Von den Politikern der CDU/CSU ist doch kein ernsthaftes Bemühen um die Eindämmung des Einflusses neonazistischer Kräfte zu erwarten. Sie werden für den Fall gebraucht, dass die Demokratie nicht mehr in der Lage ist, das Volk ruhig zu stellen. Hat Deutschland doch schon einmal etrfahren müssen.

  • O
    Oldenburgerin

    In Ihrem Artikel schreiben Sie, dass sie weitere 5 Millionen denen schuldig sei, die sich vor Ort gegen Rassismus einsetzen. Wieder jedoch sind diejenigen, die Rassismus am eigenen Leib erfahren, außen vor. Es geht bei der Bereitstellung von Geldern nicht nur um die Professionellen der Anti-Rassismus-Arbeit, sondern auch um die von Rassismus betroffenen. Sie sind diejenigen, die durch die Straßen gejagt werden.

    Weiße AntiRas werden zwar auch angegangen, aber diese Diskriminierungen möchte ich nicht gleichsetzen.

    Das soll jetzt kein Vorwurf sein, lediglich ein Hinweis auf einen weit verbreiteten Blinden Fleck.

    Viele Grüße,

    Zoe