Kampf gegen Freihandelsabkommen: Gutbürger auf Protesttour
Anti-TTIP-AktivistInnen besuchen Joachim Schuster – und fordern, dass der Europaabgeordnete beim SPD-Parteitag Druck macht.
Dass die Abkürzungen für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ und „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ mit Kanada und den USA kaum noch erklärbedürftig sind, ist das Verdienst solcher Leute wie Thomas Milowski, der den Gruppenbesuch bei Schuster organisiert hat. Milowski ist eigentlich Musiker und Lehrer an der städtischen Musikschule, aber TTIP und CETA treiben ihn schon lange um. „Diese Handels- und Investitionsabkommen bedeuten die Aushöhlung der Demokratie auf höchster Ebene“, warnt er. Deswegen hat er für Campact nun auch diese Bürobegehung organisiert.
Schuster reagiert ausgesprochen freundlich auf die drängelige Situation. Er sieht große Schnittmengen zwischen seinen Positionen und denen der Aktivisten. In der Tat gehörte Schuster im September 2014 zu der Mehrheit des SPD-Konvents, die sich für „rote Linien“ gegen TTIP und Ceta stark machte. Allerdings ist da noch ein Parteichef, der zugleich Wirtschaftsminister ist. „Es gibt manchmal verwirrende Äußerungen des Vorsitzenden“, sagt Schuster diplomatisch in Bezug auf Sigmar Gabriels Haltung zu den Freihandelsabkommen. Deswegen solle Schuster auf dem Parteitag ja gut sichtbar ein rotes Lineal für die „roten Linien“ in die Höhe halten, entgegnet Milowski – und überreicht Schuster mehrere Exemplare.
Der versichert, dem Ceta-Abkommen in seiner aktuellen Ausformung nicht zuzustimmen. Bei TTIP müsse gesichert werden, dass keine Sonderklagerechte von Konzernen auf entgangene Gewinne entstünden und hiesige Umwelt- und Sozialstandards nicht ausgehöhlt würden. Durch den Regierungswechsel in Kanada oder auch bei einer möglichen US-Präsidentin Clinton sei allerdings möglich, meint Schuster, dass die avisierten Abkommen auch von der anderen Seite des Atlantiks her wieder infrage gestellt werden.
Wäre es die bequemere Variante, wenn sich der Konflikt so erledigen würde? „Nein“, sagt Schuster. Er halte es für notwendig, über eine Regulierung des Welthandels zu verhandeln. Oft werde den Kritikern der Freihandelsabkommen Anti-Amerikanismus unterstellt, bedauert Schuster, aber darum gehe es „nun wirklich nicht“.
„Gehören Sie zu den 128 Auserwählten, die die Vertragsentwürfe einsehen dürfen?“, will ein Aktivist wissen. Mittlerweile seien alle 751 Mitglieder des EU-Parlaments einsichtsbefugt, antwortet Schuster, „das ist doch ein großer Transparenzfortschritt“. In der Tat war die „Transparenz“ anfangs auf 13 Personen begrenzt. So gesehen hat sie sich versiebenundfünfzigfacht. Allerdings ist fraglich, ob die bloße Lektüre im Lesesaal des Parlaments ausreicht, einen Nicht-Juristen auf Fallstricke im rund 1.600-seitigen Entwurfs-Werk aufmerksam zu machen. Schuster beispielsweise ist Politikwissenschaftler. Unumwunden gesteht er ein: „Ohne Experten hinzuziehen, können wir das nicht wirklich kontrollieren.“
Trotzdem scheint Schuster einigermaßen optimistisch: Die Möglichkeit der Kommunen, selbst über Ver- oder Rückkauf kommunaler Netze zu entscheiden, bleibe erhalten, betont er: „Das werden wir gemeinsam mit Ihnen hinkriegen.“
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