Kampf gegen Diskriminierung in Berlin: Speed-Date mit dem Islam
Bei „Meet a Muslim“ haben Muslime und Nichtmuslime acht Minuten Zeit, sich kennenzulernen – allerdings nicht für die Liebe, sondern um Vorurteile abzubauen.
Ein Montagabend Ende März in einem gediegenen Restaurant in Mitte. Nur wenige Gäste sitzen an den Tischen, sie unterhalten sich gedämpft bei leiser Klaviermusik. Ganz anders ist das in einem kleineren Nebenraum des Lokals: Dort sitzen sich zwölf zumeist junge Menschen an einer langen Tafel gegenüber und müssen sich fast schon anbrüllen, so laut ist es.
Es ist die dritte Ausgabe von „Meet a Muslim“ in Berlin. Hier sollen sich Muslime und Nichtmuslime bei einer Art Speeddating kennenlernen – nur dass am Ende keine Liebesbeziehung stehen soll, sondern ein gutes Gespräch und im besten Fall noch ein paar abgebaute Vorurteile. Acht Minuten Zeit hat jedes Paar, dann wird gewechselt – so lange, bis jeder Muslim mal mit jedem Nichtmuslim gesprochen hat.
Betül Ulusoy ist eine von drei Organisator*innen der Veranstaltung – und keine Unbekannte. Die 29-jährige Juristin trägt Kopftuch, und weil sie das auch vor drei Jahren bei einem Referendariat im Neuköllner Bezirksamt machen wollte, aber nicht durfte und damit an die Öffentlichkeit ging, sorgte sie für eine stadtweite Debatte über das Berliner Neutralitätsgesetz. Gerade bereitet sich Betül Ulusoy auf ihr zweites Staatsexamen vor und gibt nebenbei noch Kurse im Staats- und Organisationsrecht. „Ich war einmal an der HU und hab dort ein Seminar gegeben, für Lehramtsstudierende im Master“, erzählt sie, „Dort hab ich gefragt: Wie viele von euch haben einen muslimischen Bekannten? Von ungefähr 60 Leuten haben sich drei gemeldet.“ In diesem Moment war ihr klar: „Es gibt nicht nur eine ‚Parallelwelt‘ unter Migranten, sondern es gibt sie auch unter Deutschdeutschen.“ Und daran wollte Ulusoy etwas ändern.
Durch einen Zufall lernt sie Karla Schönicke kennen, eine gläubige Christin, die bewusst Lust auf Neues hatte: „Ich fand einfach, ich hab zu wenig Muslime oder generell diverse Leute in meinem Freundeskreis!“ Deshalb treffen sich Ulusoy und Schönicke auf einen Kaffee, reden lange miteinander über den Glauben und Alltägliches – „und so sind wir darauf gekommen, dass man einfach zusammen ins Gespräch kommen muss“.
Sie lesen von einem Event in Melbourne, bei dem sich Muslime und Nichtmuslime treffen. Das finden sie gut, wollen dem Ganzen aber noch einen eigenen Dreh geben. „Speeddating fanden wir super, damit man verschiedene Perspektiven kennenlernt“, sagt Schönicke. Und so war „Meet a Muslim“ in Berlin geboren.
Verschiedene Perspektiven gibt es bei dem Treffen Ende März nicht nur in Sachen Islam: „Wir haben jetzt nicht die ganze Zeit über Religion geredet“, berichtet eine 30-jährige Teilnehmerin, die anonym bleiben möchte. „Man redet ganz normal über sein Leben, seinen Alltag, was man macht, und das mit so unterschiedlichen Menschen – das finde ich toll!“ Und doch wird die Vielfalt innerhalb des Islams deutlich: „Ich habe auch mit einigen Muslimen Meinungsverschiedenheiten“, gibt eine andere muslimische Teilnehmerin zu – auch sie möchte nicht, dass ihr Name veröffentlicht wird.
Die Angst mancher Muslime, in der Öffentlichkeit erkennbar zu sein, macht dann doch wieder deutlich, dass der Islam in Deutschland immer noch ein schwieriges Thema ist – genauso wie die Tatsache, dass der genaue Ort des Treffens nicht öffentlich bekannt gegeben wurde. „Ich finde es schon bezeichnend, dass man das nicht konnte, weil befürchtet werden musste, dass vielleicht sonst Übergriffe auf die Veranstaltung stattfinden“, sagt Matthias Danieli. Der 21-Jährige ist ein nichtmuslimischer Teilnehmer.
Mitorganisatorin Karla Schönicke
Die Macher Hinter Meet a Muslim stecken Betül Ulusoy (Muslimin), Karla Schönicke (Christin) und Dennis Kirschbaum (Muslim). Sie organisieren die Treffen ehrenamtlich.
Das Treffen Der nächste Termin ist am 7. Mai ab 19 Uhr. Anmelden kann man sich unter meetamuslimberlin@gmail.com
„Wir wissen, dass wir Hardliner mit Meet a Muslim nicht direkt erreichen werden“, gibt dann auch Karla Schönicke zu. Das sei aber auch nicht das Ziel: „Wir wollen die Leute ansprechen, die sowieso schon ein bisschen offener sind, aber vielleicht noch keinen Raum gefunden haben, um ihre Fragen loszuwerden.“ Diese könnten dann ihre Erfahrungen aus den Gesprächen in ihre Freundeskreise oder Familien tragen: „Und dann haben sie vielleicht auch was zum Kontern, wenn der rassistische Onkel etwas sagt.“
Schönicke spricht aus eigener Erfahrung: „Ich persönlich hab schon ganz viele Vorurteile abgebaut, einfach nur dadurch, dass ich im direkten Gespräch gemerkt habe: Die sind in ihrer Community genauso verschieden wie wir und haben ganz unterschiedliche Meinungen.“ In den Leitmedien bekomme man das nur selten mit, kritisiert sie.
Als das Speeddating am Montagabend Ende März schon längst vorbei ist, sitzen immer noch fast alle zusammen und reden miteinander – nicht nur, weil sie erleichtert sind, die Zeitbegrenzung los zu sein. Einige tauschen fleißig Handynummern und E-Mail-Adressen aus. „Ich hoffe, dass der Kontakt hält, denn ich würde gerne noch mehr Sachen zusammen machen“, sagt eine nichtmuslimische Teilnehmerin. Und wer weiß: Vielleicht entsteht aus diesem etwas anderen Speeddating irgendwann doch noch eine echte Liebesgeschichte.
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