piwik no script img

Kampf gegen AntisemitismusDie Grenzen der Justiz

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Gesetzesverschärfungen können gegen Antisemitismus helfen. In den meisten Fällen gilt jedoch: Prävention geht über Sanktion.

„From the river to the sea …“: Gerichte gehen höchst unterschiedlich mit judenfeindlichen Äußerungen um Foto: imago

M it dem scharfen Schwert der Justiz den Judenhass niederringen – das hört sich besser an als es ist. Denn Strafjustiz kann immer nur dann tätig werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, kann eine Tat also nicht verhindern, sondern nur ahnden. Häufig kann sie nicht einmal das, denn Antisemitismus lässt sich nicht verbieten, nur die Handlungen, die aus ihm erwachsen. Es ist also allemal besser, in Erziehung und Bildung von Jugendlichen zu investieren als Gesetzesverschärfungen als Allheilmittel zu propagieren.

Dennoch ist die Ahndung antisemitisch motivierter Straftaten unverzichtbar, will der Rechtsstaat nicht als zahnloser Tiger erscheinen, der über Hass, Hetze und Gewalt hinwegsieht. Ob eine Geldstrafe dabei reicht, damit ein Judenhasser seine Vorstellungen überdenkt, muss bezweifelt werden. Doch zumindest haben Strafen eine abschreckende Wirkung.

Zwischen Freispruch und Volksverhetzung

Beklagt wird nun, dass die Gerichte höchst unterschiedlich mit judenfeindlichen Äußerungen umgehen. In einigen Fällen gab es etwa für die Forderung nach dem Ausradieren des Staates Israel („From the river to the sea…“) Freisprüche. Ein Berliner Gericht verhängte dagegen in einem solchen Fall jüngst eine Geldstrafe wegen des Verbreitens von Propagandamitteln terroristischer Organisationen.

Impfgegner, die sich selbst mit „Judensternen“ kennzeichneten, kamen einmal ungestraft davon, ein andermal wurden sie wegen Volksverhetzung bestraft. Ein Gericht vertrat gar die Auffassung, ein Brandanschlag auf eine Synagoge sei kein Antisemitismus, sondern lediglich Kritik an Israel.

Wegen solcher Fehlurteile braucht es keine Gesetzesverschärfungen, sondern eine Weiterbildung für Richter. Bei immer wiederkehrenden Propagandadelikte sind höchstrichterliche Entscheidungen zu erwarten, die hoffentlich bald klarmachen, was erlaubt ist und was nicht. Die – wenigen – Gesetzeslücken müssen freilich geschlossen werden. Es ist ein Unding, dass das Verbrennen israelischer Fahnen unter Strafe steht, der geäußerte Wunsch, der jüdische Staat möge vernichtet werden, aber nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Es ist ein Unding, dass das Verbrennen israelischer Fahnen unter Strafe steht, der geäußerte Wunsch, der jüdische Staat möge vernichtet werden, aber nicht."

    Aus Sicht des Autors vielleicht, aus juristischer Sicht bestimmt nicht. Flaggen gelten als Hoheitszeichen, der geäußerte Wunsch ist eine Meinungsäußerung.

    Das Haben und Äussern einer bestimmten Meinung zu verbieten verstößt gegen Art. 5 II GG.

    Ein derartiges Sondergesetzt zur Einschränkung der Meinungsfreiheit wurde erst einmal vom BVerfG per Beschluss (vom 4 November 2009, BvR 2150/08) bestätigt. Zugrunde lag der § 130 IV StGB und die Strafbarkeit der Meinung, die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft zu billigen, zu verherrlichen oder zu rechtfertigen. Und selbst hier wurden enge Grenzen abgesteckt, in dem es sich lediglich auf das historische NS-Regime 1933-45 bezog und nicht auf die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus insgesamt.

    Ausdrücklich erklärte das BVerfG zudem: “Das Grundgesetz gewährt Meinungsfreiheit im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung vielmehr grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit.”

    Gilt auch dann, wenn es sich gegen Israel richtet.

  • Was der Autor offenbar übersieht: Vor kurzer Zeit wurde nur z.B. einem rechtsradikales Hetzblatt von einem der höchsten deutschen Gerichte im Namen der Pressefreiheit wieder erlaubt seine Hetze weiter zu verbreiten. Man darf guten Gewissens annehmen, daß Deutschlands höchste Richter keine juristische Weiterbildung nötig haben. Oder anders herum, (antisemitische) Hetze wird durch Deutschland Richter im Namen des Gesetzes geduldet und gefördert.

  • Das liest sich alles sehr harmlos.

    Fakt ist:

    Die polizeiliche Kriminalstatistik von 2023 beziffert rund 5000 antisemitischen Straftaten.

    Und diese sind Hass und Hetze pur. Terror nennt man so etwas.

    Sascha Lobo hat da im SPIEGEL einen guten Job gemacht, ein Glanzlicht deutschen Journalismus, und ich hoffe er bekommt jede Menge hochkarätiger Auszeichnungen dafür:

    "Wie man Hass enttarnt"



    "Antisemitismus erkennen für Anfänger"



    www.spiegel.de/net...-9222-bfcd206040ed

    Prävention gegen Judenhass? Die letzten 10 Jahre ist in Deutschland das Gegenteil geschehen. Einziger Lichtblick: die im Bundestag am 07.11.2024 beschlossene Resolution gegen Antisemitismus.

    Von der man nur hoffen kann, dass sie kristallklar konsequent umgesetzt wird.