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Kampagne gegen Fachkräfte-MangelWohlfühl-Kür für Pflegekräfte

Damit Pflegekräfte in den Beruf zurück kehren, schmiedet Senatorin Prüfer-Storcks eine Pflege-Allianz in Hamburg. Das Thema Personalbemessung wird ausgespart.

Darf unter zu wenig Personal nicht leiden: Sorgfalt bei der Medikamentenvergabe Foto: dpa

Hamburg taz | Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hat eine „Allianz für die Pflege“ mit Arbeitgebern geschmiedet, um das Image des Pflegeberufs zu steigern. Alle Kliniken und Pflegeheime, die mitmachen, verpflichten sich auf „Ziele und Standards“, die den Beruf attraktiver machen sollen. „Wenn alle, die wir in den letzten zehn Jahren ausgebildet haben, noch in dem Beruf wären, hätten wir kein Pflegeproblem“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag bei der Unterzeichnung des Allianz-Vertrags.

Die Senatorin verwies auf die „Come Back“-Studie von Januar, wonach 48 Prozent der ausgebildeten Kräfte, die ihrem Beruf den Rücken kehrten, sich den Wiedereinstieg vorstellen können, „wenn sie denn bessere Arbeitsbedingungen hätten“. Die in der Allianz vertretenen Arbeitgeber wollten nun ein Zeichen setzen für gute Arbeitsbedingungen, gute Bezahlung und „mehr Wertschätzung“ der Beschäftigten.

Zu den zehn Erstunterzeichnern gehören das UKE und das Marienkrankenhaus, noch nicht dabei sind die Asklepios-Kliniken. Wer als Arbeitgeber der Allianz beitritt, verpflichtet sich nach Tarif zu bezahlen, oder „in der Höhe entsprechend“, er verspricht die Arbeitszeiten „planbar und verlässlich“ zu gestalten, sich um Gesundheit und Weiterentwicklung der Beschäftigten zu kümmern und sie gar bei der Wohnungssuche zu unterstützen.

Nur kommt der Vorstoß zu einem Moment, wo Prüfer-Storcks in einem zugespitzten Konflikt mit der Pflegekräfte-Szene steht. Denn das „Bündnis gegen den Pflegenotstand“ will per Volksinitiative eine verbindliche Personalbemessung per Landesgesetz durchsetzen. „Gute Arbeitsbedingungen stehen und fallen mit dem Personal“, sagt Bündnis-Sprecher Axel Hopfmann. „Der Schlüssel ist die Personalbemessung.“ Im Bündnis gebe es ganze Teams, die sagten: „Wenn wir schriftlich bekommen, dass jeder von uns nicht mehr als fünf Patienten versorgen muss, kommen wir zurück.“

Nicht am Bedarf orientiert

Doch der Hamburger Senat klagte gegen die Volksinitiative, mit dem formalen Argument, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hier gerade ein Gesetz schuf. Nun muss das Verfassungsgericht bis zum 7. Mai entscheiden, ob hier wirklich Bundesrecht Landesrecht schlägt und die Initiative gestoppt wird.

Das Spahnsche Gesetz legt seit dem 1. Januar 2919 für die vier Bereiche Intensivmedizin, Unfallchirurgie, Geriatrie und Kardiologie Untergrenzen fest, die sich am unteren Viertel dessen orientieren, was Kliniken an Personal vorhalten, und die nicht unterschritten werden dürfen. Das deshalb einzustellende Personal bezahlen die Kassen.

Doch dadurch gebe es nur eine „Nivellierung nach unten, statt sich tatsächlich am Bedarf zu orientieren“, kritisiert Hopfmann, der selber mal Pfleger war. Das Bündnis gehe davon aus, dass durch Spahns Gesetz nicht mehr Personal an Hamburger Kliniken kommt. Auch die Allianz-Partner orientieren sich an der Spahn-Logik und verpflichten sich lediglich, „vorgeschriebene Personalmindestbesetzungen einzuhalten oder zu übertreffen“.

Die spannende Frage ist nun, ob Hamburgs Klinken im verstrichenen 1. Quartal 2019 durch Spahns Gesetz mehr Pflegepersonal eingestellt haben. Die Kliniken müssen diese Daten an ein zentrales Institut melden, das wiederum die Länder informiert. Laut Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde ist Anfang Mai mit den Zahlen zu rechnen. Hopfmann nennt die Auskunft enttäuschend, denn die Zahlen müssten vorliegen.

Auch der Linken-Politiker Deniz Celik kritisiert die Allianz-Aktion. Fortbildung und Aufstiegschancen seien wichtig, doch wichtiger sei eine bedarfsgerechte Personalbemessung. „Hier absolviert die Senatorin zuerst die Kür und drückt sich vor der Pflicht.“

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