■ Das Portrait: Kampagne für Chen
„Nicht genug, daß sie Chen Ziming jede medizinische Betreuung verweigern – sie haben auch noch unser Bankkonto eingefroren, um mich daran zu hindern, die Medikamente zu besorgen, die er unbedingt zum Überleben braucht“, schrieb die verzweifelte Wang Zhihong kürzlich an die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“. Ihr Ehemann Chen Ziming, der nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 wegen „konterrevolutionärer Propaganda“ zu dreizehn Jahren Haft verurteilt wurde, ist nach Angaben der Familie schwer krebskrank.
Am 14. Oktober trat Chen Ziming in unbefristeten Hungerstreik. Seine Frau Wang Zhihong wurde am Wochenende ebenfalls festgenommen, als sie gemeinsam mit seinen Eltern in Peking für die ärztliche Betreuung Chens demonstrierte.
Aus gesundheitlichen Gründen war der ehemalige Herausgeber der chinesischen Wirtschaftswoche im Mai vergangenen Jahres aus dem Gefängnis entlassen worden. Als er sich trotz aller polizeilichen Warnungen nicht davon abhalten ließ, weiterhin öffentlich politische Reformen zu fordern, wurde er im Juni dieses Jahres erneut verhaftet. Begründung der Behörden: Seine Krankheit „sei ausgeheilt“.
Der chinesische Dissident Chen Ziming ist schwer krebskrank und in Haft Foto: ROG-Archiv
Chen Ziming gehört zu den einflußreichsten Aktivisten der chinesischen Demokratiebewegung. Er wurde in der Kulturrevolution der sechziger und siebziger Jahre politisch geprägt. Ins Blickfeld der politischen Polizei geriet Chen bereits 1975, als er die damals herrschende „Viererbande“ in einem privaten Brief kritisierte. Bald darauf nahm er an den ersten Tiananmen-Demonstrationen von 1976 teil und wurde erstmals verhaftet. Er engagierte sich im Pekinger Frühling von 1978 bis 79, schrieb in der Untergrundzeitschrift Beijing Spring.
1986 gründete Chen mit seiner Frau Wang Zhihong das private Pekinger Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, das in kürzester Zeit über hundert MitarbeiterInnen zählte. Es wurde zum Zentrum der chinesischen Reformdebatte inner- und außerhalb der Kommunistischen Partei, die schließlich in die Proteste von 1989 mündete.
Morgen sollen weltweit Demonstrationen für die Freilassung Chens stattfinden. In Berlin will „Reporter ohne Grenzen“ die chinesische Botschaft in Pankow mit Diaprojektionen und anderen symbolischen Aktionen „belagern.“ Jutta Lietsch
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