Kampagne der Luftfahrtbranche: Die Mär vom Vier-Liter-Flieger
Fliegen ist gar nicht so umweltschädlich, sagt die Branche und wirbt mit niedrigem Kerosinverbrauch. Experten kritisieren diese Schönrechnerei.
BERLIN taz | Es soll eine Kampagne in ganz großen Stil werden. Mit Plakaten, Videos, Flyern und einer Internetseite will die deutsche Luftverkehrswirtschaft ein Schlagwort verbreiten, das Fluggästen das Gewissen erleichtern soll: „Vier-Liter-Flieger“. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine neue Technologie, sondern um ein Rechenspiel. Denn der angegebene Kerosinverbrauch von 4 Litern bezieht sich nicht auf den Verbrauch einer Maschine, sondern auf den Verbrauch pro Passagier auf hundert Kilometern.
„Man kann versuchen, sich das schönzurechnen, aber das Flugzeug ist weiterhin das klimaschädlichste Verkehrsmittel“, sagt Heiko Balsmeyer, Referent für Luftverkehr bei dem ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Schließlich stießen Flugzeuge nicht nur deutlich mehr Kohlendioxid aus als etwa die Bahn, sondern auch Wasserdampf, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe und Ruß. Und all das sei in den höheren Luftschichten deutlich schädlicher als am Boden.
Wolle die Luftfahrtbranche bei ihren angestrebten Wachstumsraten den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen nicht noch erhöhen, müsse sie Jahr für Jahr um 4 bis 5 Prozent effizienter werden, sagt Balsmeyer. Das sei aber mit den derzeitigen Technologien nicht zu erwarten.
„Erst eine neue Generation von Flugzeugen, die sogenannten Nurflügler, würde auf einen Schlag nennenswerte Einsparungen bringen.“ Bei dem Modell haben die Maschinen keinen Rumpf mehr, die Passagiere sitzen in den Flügeln. Doch dass in naher Zukunft ein komplett neuer Typ auf den Markt kommt, ist, auch angesichts zahlreicher Pannen und Probleme, die die großen Hersteller in der Vergangenheit mit ihren Neuentwicklungen hatten, nicht zu erwarten.
Wenn schon, dann nur mit Ausgleichzahlungen
Jürgen Mumme vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert vor allem die Verbraucher zum Umdenken auf: „Das Beste ist, gar nicht zu fliegen, gerade im Inland.“ Müsse es doch unbedingt sein, sei es sinnvoll, Ausgleichszahlungen für die Klimaschäden zu leisten, etwa über Atmosfair.
Mumme kritisiert, dass mit der Diskussion über Klimafolgen des Flugverkehrs andere Probleme aus den Augen verloren würden. „Von den Protesten gegen Fluglärm beispielsweise lässt sich so wunderbar ablenken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?