Kai Wegner und die Brandmauer: Kein Ersatz für zukunftsfähige Politik
Anders als Parteifreund Friedrich Merz hat Berlins Regierender Bürgermeister eine erfreulich klare Haltung zur AfD. Aber auch seine Politik spaltet.
E s war eine Ansage, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließ. Der Senat werde im Bundesrat „niemals einem Gesetz zustimmen, das nur in Abhängigkeit von AfD-Stimmen zustande gekommen ist“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei einer Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses am vergangenen Donnerstag.
Damit stellte sich Wegner nicht nur hinter die Brandmauer gegen die AfD. Er kündigte auch an, dass das „Zustrombegrenzungsgesetz“, das der CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz einen Tag später in den Bundestag einbringen sollte, im Bundesrat auch am Veto des Landes Berlin scheitern würde.
Berlins CDU-Regierungschef machte mit dieser Ansage einmal mehr bundesweit von sich sprechen – und stellte sich in eine Reihe mit den Merz-Kritikern Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther aus Schleswig-Holstein. Vor allem aber nahm er seiner Berliner Koalitionspartnerin SPD den Wind aus den Segeln.
Noch am Dienstag hatten die beiden SPD-Landeschefs Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel mitgeteilt, sie erwarteten von der Berliner CDU „eine klare Kante“. „Wenn Kai Wegner dieses Vorgehen seines Kanzlerkandidaten wortlos toleriert, macht sich auch er mit all seinen Bekundungen zur Abgrenzung gegen die AfD unglaubwürdig.“
Berliner SPD unter Druck
Ist die Drohung der Berliner SPD an den Koalitionspartner mit der Aussage Wegner vom Tisch? Nicht unbedingt. Nachdem Friedrich Merz am Freitag seinen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht und erneut auf Stimmen von der AfD gesetzt hatte, erhöhten die SPD-Landeschefs den Druck. „Friedrich Merz hat seinen Tabubruch heute erneuert und eine gemeinsame Mehrheit mit Rechtsextremen gesucht“, schrieben Böcker-Giannini und Martin Hikel in einer Erklärung. Jetzt gelte es, zu einer ordentlichen Debatte zurückzukehren, die die Menschen in den Fokus nimmt. „Dabei stehen auch die Länder nun in der Pflicht: Als Koalitionspartner in Berlin werden wir unseren Teil dazu beitragen.“
Ganz so einfach, so lautet die Botschaft an die Berliner CDU und den Regierenden Bürgermeister, werden wir es Euch nicht machen. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Er schrieb: „Mir zeigt dieses Zocken, dass man bei Herrn Merz mit einer Koalition mit der AfD rechnen muss. Das bedeutet, der Kampf um die Verteidigung der Demokratie hat begonnen.“
Der Druck auf den Kessel steigt also nicht nur im Bundestag, sondern im Berliner Abgeordnetenhaus. Dazu trägt auch die Opposition bei. Unverhohlen hat die Linkspartei die SPD am Donnerstag aufgefordert, die Koalition mit der CDU zu beenden.„Liebe SPD, brich die Koalition mit der CDU und lass uns eine antifaschistische Koalition bilden“, forderte die Linken-Abgeordnete Elif Erap. SPD, Grüne und Linke, die von 2016 bis 2023 zusammen regierten, hätten im Abgeordnetenhaus ebenso eine Mehrheit wie CDU und SPD.
Man kann das natürlich als einen allzu durchsichtigen Versuch sehen, die Gunst der Stunde nutzen und einen Keil in das Bündnis aus CDU und SPD treiben zu wollen. Allerdings weiß auch die SPD, dass ein bloßes Weiter-so im Senat ihr eher schaden als nutzen würde. Auf ihrer Klausurtagung in Dresden hatte die 34-köpfige SPD-Fraktion deshalb schon einmal ihre Muskeln spielen lassen. 160 Euro fürs Anwohnerparken, eine Privatisierungsbremse in der Landesverfassung, ein Paritätsgesetz sowie eine Gehaltsobergrenze für die Chefs von landeseigenen Unternehmen lauteten die Forderungen an die CDU.
Rollback auch unter Wegner
Offenbar hat es sich auch bei der Berliner SPD herumgesprochen, dass die CDU in der Hauptstadt zuletzt eine recht einseitige Klientelpolitik durchgeboxt hatte: Keine Erhöhung der – ohnehin deutschlandweit niedrigsten – Parkgebühren, dafür millionenschwere Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr. Kaum noch Geld für neue Radwege, dafür ein unnützes und 350 Millionen Euro teures Straßenneubauprojekt wie die Tangentialverbindung Ost. Klimaschutz und Kultur nur noch als nice to have, dafür die Sanierung des Autobahntunnels in der Schlangenbader Straße.
So erfreulich die klare Haltung von Kai Wegner gegenüber der AfD (und Friedrich Merz) ist, so deutlich wird aber auch, dass eine Brandmauer keine Politik ersetzen kann, die die Stadt fit für die Zukunft macht, statt die Konzepte einer autogerechten Stadt aus der Mottenkiste zu holen.
Nur zur Erinnerung: Es war der Vorwurf der SPD an die Grünen, eine einseitige Klientelpolitik zugunsten der Innenstadtbezirke zu betreiben, die einst Franziska Giffey dazu veranlasst hat, die rot-grün-rote Option fahren zu lassen und ihr Schicksal in die Hände der CDU zu legen.
Und nun? Macht die CDU einseitig Politik für Autofahrende und setzt den ökologisch-sozialen Umbau der Stadt aufs Spiel. Es ist womöglich die gleiche Sehnsucht nach einem Rollback in die „gute alte Zeit“, nach einer Politik mit möglichst wenig Zumutungen, die Grünen und Linken (und Teilen der SPD) gerade im ganzen Land den Wind ins Gesicht wehen lässt. Nur dass sie bei Kai Wegner ohne das Macho-Gehabe von Friedrich Merz und ohne den nationalistischen und rassistischen Furor der AfD auskommt.
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