Kahlschlag im Hambacher Forst: Die Justiz ist wieder am Zug

2017 hatte die Arnsberger Bezirksregierung die Rodungen für den Braunkohlebau vorläufig gestoppt. Nun rudert sie wieder zurück – was jetzt?

gerodetes Holz - im Hintergrund eine Freifläche mit Bauten

Hier wurde schon geholzt bevor die Bezirksregierung den Stopp verhängte Foto: dpa

AACHEN taz | „Braunkohleabbau in Hambach kann weitergehen“ – Diese Überschrift einer Agenturmeldung jagte vielen Umweltengagierten am Donnerstagmittag erst mal einen Schreck ein. Fahren die Bagger schon wieder los?

Nein, die zuständige Bezirksregierung Arnsberg hat nur formal den Hauptbetriebsplan für die Tagebaue in der rheinischen Bucht bei Köln bis 2020 weiter genehmigt. Sozusagen eine Grundsatzentscheidung, dass die Erlaubnis zum Weitergraben nicht offensichtlich rechtsfehlerhaft ist.

Ab 1. April ist aus Naturschutzgründen ohnehin gesetzliches Rodungsverbot, die Bagger von RWE Power können erst ab Oktober die Anweisung bekommen: Schaufel frei, Sägen los, weg mit dem Wald.

Die ersten Reaktionen waren erwartbar: Die NRW-Grünen sehen ein „fatales Zeichen“ für den Klimaschutz. RWE Power freut sich: „Damit können wir unseren wichtigen Beitrag für die Energieversorgung fortsetzen.“ Was so viel bedeutet wie: mit der Steinzeittechnologie Braunkohle als größtem Feinstaub- und CO2-Verpester des Landes weitermachen.

Der älteste Wald Nordrhein-Westfalens

„Die Entscheidung der Bezirksregierung war auch nicht anders zu erwarten“, sagt der Aachener Waldpädagoge und Braunkohlegegner Michael Zobel, „alles andere wäre eine Sensation gewesen“. Die Bezirksregierung habe im Vorfeld schon gesagt, dass sie kein Gericht sei. Soll heißen: Man wisse in Arnsberg genau, dass der Ball für weitere Entscheidungen wieder bei der Justiz liegt. „Jetzt geht es auf der juristischen Schiene weiter.“ Die Klage-Anträge des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland beim Oberverwaltungsgericht Münster laufen schon. Für alle Initiativen gebe es jetzt „noch mehr Motivation für den Wald weiterzukämpfen“, meint Zobel.

Naturrechtlich stellt sich die Frage, ob der älteste Wald Nordrhein-Westfalens in ein europäisches Netz von Schutzgebieten aufgenommen werden muss – also auf gut Fachdeutsch: ob das Vorgehen den europäischen Flora-Fauna-Habitat-Kriterien entspricht. Das hätte jede Landesregierung – mit oder ohne grüne Beteiligung – seit Jahrzehnten bei EU-Behörden prüfen lassen können. Die Landesregierungen taten nichts. Statt dessen schrieben sie lieber den politischen Willen zum Braunkohletagebau fort.

Nachdem eben jene zweifelnde Arnsberger Bezirksregierung im November 2017 für mindestens neun Monate einen Rodungsstopp ausgelöst hatte, blieb es im Hambacher Forst lange ruhig. UmweltaktivistInnen träumten schon vom endgültigen Aus aller Grabungen an der Südflanke des Tagesbaus. Erst als die Polizei im Februar bei der Räumung von Barrikaden im „Hambi“ ein halbes Dutzend Waldbesetzer vorläufig festnahm und erst nach fast zwei Monaten U-Haft vor zwei Wochen auf gerichtliche Verfügung hin wieder frei ließ, flammten die Debatten erneut auf.

Seitdem rumort es im Forst. Wie zur Rache gab es umgehend neue Räumungen, neue Festnahmen, neue U-Haft für drei Personen. Sie hätten mit Pyros geworfen, so die Polizei. Der womöglich explosive Inhalt von „bombenähnlichen Gegenständen“, getarnt als Christbaumkugeln, die im November im Wald gefunden worden waren, ist bis heute nicht untersucht.

Michael Zobel lädt am 15. April zum 48. Waldspaziergang in den Hambacher Forst; bislang nahmen mehr als 12.000 Menschen an seinen Führungen teil.

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