piwik no script img

Kämpfer in SomaliaFit für den Krieg mit deutschem Geld

Im somalischen Bulo Hawo bekämpfen sich Islamisten und regierungstreue Truppen, die Menschen sind geflohen: Was das mit der Bundesregierung zu tun hat.

Die somalische Regierung hat nicht mal die Hauptstadt Mogadischu voll im Griff: Islamistischer Kämpfer nach Gefechten mit regierungstreuen Truppen im Mai 2010. Bild: imago/xinhua

NAIROBI taz | Wenn es einen Inbegriff des Niemandslandes gibt, dann muss es so aussehen wie die staubige Dornbuschsavanne, die den Norden Kenias vom benachbarten Somalia trennt. In dem unwirtlichen Grenzstreifen östlich von Mandera, Kenias letztem Vorposten hier, sind selbst zu friedlicheren Zeiten nur wenige Händler unterwegs, die Gemüse oder Getreide in die somalische Grenzstadt Bulo Hawo bringen. Im Moment aber trauen auch sie sich nicht dorthin: denn in Bulo Hawo wird gekämpft.

"Nach allen Informationen, die ich dort bekomme, ist die Lage unverändert angespannt", weiß Emmanuel Nyabera vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Der 60.000-Einwohner-Ort ist praktisch menschenleer. "Die Bewohner sind geflohen, viele über die Grenze nach Kenia", bestätigt Achmed Mohammed Yusuf, einer der Ältesten von Bulo Hawo. Niemand möchte ins Kreuzfeuer von Islamisten und regierungstreuen Truppen geraten.

Und doch fristen mehr als 7.500 Flüchtlinge ihr Dasein derzeit in Schussweite von Bulo Hawo entfernt. Sie kampieren im Niemandsland, seit Kenias Polizei ihnen ein Ultimatum gestellt hat. "Die Polizisten haben den Flüchtlingen ein paar Stunden gegeben, um wieder nach Somalia zu verschwinden", weiß Nyabera. Erst hieß es, die Flüchtlinge - vor allem Frauen und Kinder - könnten in einem zehn Kilometer entfernten Flüchtlingslager untergebracht werden.

Krieg in Somalia

Somalia hat seit 1991 keine stabile Regierung mehr. Der Norden des Landes hat sich als Republik Somaliland abgespalten, der Nordosten ist unter dem Namen Puntland faktisch selbständig. Im Südteil Somalias ist die mächtigste Macht die radikalislamistische Miliz al-Shabaab (Jugend). Sie arbeitet zunehmend mit al-Qaida zusammen. Die Hauptstadt Mogadischu ist zwischen den Islamisten und einer Anfang 2009 gebildeten Übergangsregierung unter Präsident Sheikh Sharif Ahmed, früher selbst gemäßigter Islamistenführer, geteilt. Mangels eigener Armee wird die Übergangsregierung von rund 7.200 Soldaten aus Uganda und Burundi im Rahmen einer Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (Amisom) unterstützt, mit logistischer Hilfe der USA. Kämpfe zwischen Amisom und al-Shabaab fordern regelmäßig in Mogadischu zahlreiche Opfer; dieses Jahr sind in Mogadischu bereits über 2.100 Zivilisten getötet worden. In Uganda bildet die EU somalische Soldaten für die Übergangsregierung aus, in Äthiopien entstehen Polizeikräfte. Die Regierung versucht, mit diesen Truppen eine zweite Front gegen al-Shabaab im Süden des Landes zu eröffnen. (d.j.)

"Aber dann gab es die Ansage: Schickt die Somalis zurück dahin, wo sie herkommen, es ist sicher genug dort", so Nyabera. Dort, wo die Flüchtlinge sich jetzt befinden - weder in Somalia noch in Kenia -, kann ihnen niemand helfen: Nach Völkerrecht sind sie derzeit weder intern vertrieben noch auf der Flucht, so dass sich weder das UNHCR noch der somalische rote Halbmond zuständig fühlen. Weil jederzeit neue Kämpfe ausbrechen könnten, traut sich zudem niemand in die Nähe der verzweifelten Bewohner von Bulo Hawo, die ohne Wasser und Nahrungsmittel unter freiem Himmel kampieren.

Somalias international anerkannte, militärisch aber weitgehend machtlose Regierung spricht dennoch von einem Erfolg. Die Offensive unter der Führung des somalischen Parlamentsabgeordneten Barre Aden Hiirale sei erst der Start einer neuen Front gegen die islamistischen Shabaab-Milizen, die Bulo Hawo und die umliegende Provinz Gedo seit einem Jahr kontrollieren, heißt es aus dem Präsidentenpalast aus Mogadischu. Besonders stolz ist die gleiche Quelle darauf, wie der Sieg errungen wurde: mit Hilfe von hunderten somalischen Kämpfern nämlich, die mit deutschem Geld in Äthiopien ausgebildet wurden - "zu Polizisten", wie es heißt. Befürchtungen, die für Somalias Verhältnisse hervorragend ausgebildeten Sicherheitskräfte könnten in den sich zuspitzenden Krieg zwischen Regierung und Islamisten verwickelt werden, haben sich in Bulo Hawo offenbar bewahrheitet.

Nachdem der Aufenthaltsort der Polizisten nach Ende der Ausbildung wochenlang unbekannt war, räumt die Bundesregierung inzwischen ein, dass die für den Polizeieinsatz in Mogadischu ausgebildeten Kräfte sich - nach Angaben der Übergangsregierung - in Gedo und der nordöstlich angrenzenden Provinz Bakool befinden. In einer der taz vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, ob die mit deutscher Hilfe ausgebildeten "Polizisten" an den Kämpfen in Bulo Hawo beteiligt waren, räumt Außenstaatssekretär Werner Hoyer dies ein. "Die Bundesregierung kann nicht bestätigen, dass die betreffenden Polizisten in solche Gefechte verwickelt waren. Angesichts der Lage in Somalia und der häufigen Angriffe auf Polizei und Sicherheitskräfte kann dies aber auch nicht ausgeschlossen werden."

Das von der Bundesregierung zunächst mühsam aufrecht gehaltene Bild eines "Polizeieinsatzes" der gut 1.000 ausgebildeten Männer in Abgrenzung zu einem militärischen Einsatz ist damit endgültig dahin. Kenner Somalias hatten die Unterscheidung von vornherein als absurd kritisiert: Seit fast zwanzig Jahren kennt das Land nur Bürgerkrieg. "In Somalia zeigt sich, wie verantwortungslos die Ausbildungs- und Ausstattungshilfe ist, mit der Bundesregierung und EU weltweit Militärregime und Bürgerkriegsparteien unterstützen", sagt die Abgeordnete Dagdelen.

Der deutsche Alleingang sorgt auch unter für Somalia zuständigen Diplomaten seit Monaten für Unmut: Anstatt die Ausbildung, wie üblich, mit den UN zu koordinieren, hatte Deutschland eine Million Euro aus Mitteln des Auswärtigen Amtes an die äthiopische Regierung überwiesen. Äthiopien, selbst Partei im somalischen Bürgerkrieg, bildete damit die gut 1.000 Rekruten in einem abgelegenen Stützpunkt aus. Bis heute ist unklar, nach welchen Kriterien die Rekruten ausgewählt wurden und ob internationale Ausbildungsstandards eingehalten wurden. UN-Beobachter hatten mehrfach vergeblich versucht, sich ein Bild von der Lage zu machen.

Wenn es stimmt, was der inzwischen zurückgetretene somalische Premier Omar Ali Sharmake Ende September vor Journalisten in Mogadischu erklärt hat, ist das Gefecht in Bulo Hawo erst der Anfang. "Wir werden eine zweite Front im Süden eröffnen", so Sharmake. Die gut 1.000 mit deutschem Geld ausgebildeten Kämpfer würden gemeinsam mit 2.000 kenianischen Spezialeinheiten strategische Ziele angreifen. Dazu gehöre auch die Hafenstadt Kismayo, wo die Shabaab nach Ansicht von Analysten mit Schmuggel die Millionen einfährt, die sie zur Finanzierung des Kampfes gegen die Regierung braucht.

"Wir werden diese ausländisch ausgebildeten Truppen bis Ende des Jahres einsetzen, um die Islamisten schnell zu schwächen", versicherte Sharmake damals. Sein Nachfolger als Premier, der US-Bürger Mohammed Abdullahi Mohammed, hat sich zu der geplanten Offensive bislang noch nicht geäußert. Doch obwohl Mohammed eine neue Politik verspricht - erstmals in der jüngeren Geschichte wurde ein Kabinett aus Technokraten statt aus Clan-Hierarchen gebildet -, steht außer Zweifel, dass sein erstes Ziel ist, die Islamisten zu besiegen.

Die im Ausland ausgebildeten Spezialkräfte könnten sich dabei wegen ihrer guten Ausbildung als eine Art Trumpf im Konflikt erweisen - allerdings nicht zwangsläufig für Mohammeds Regierung, sondern für denjenigen, der besser bezahlt. Bislang, so gab schon Mohammeds Vorgänger Sharmake zu, bezahlt die Übergangsregierung ihre Soldaten bestenfalls unregelmäßig. "Manche kriegen fünf Monate lang keinen Sold", wetterte Sharmake kurz vor seinem Rücktritt. "Man kann nicht erwarten, dass diese Truppen loyal ihr Land verteidigen, wenn sie nicht bekommen, was sie verdienen."

Islamisten haben es entsprechend leicht, regierungstreue Soldaten abzuwerben. Der somalische General Yusuf Hussein Osman, bis zu seinem Rücktritt Ende 2009 Stabschef der somalischen Armee, weiß, dass immer mehr regierungstreue Truppen samt kompletter Ausrüstung desertieren oder zumindest ihre Waffen an den Feind verkaufen. "Die Regierungsarmee ist die wichtigste Waffenquelle für die Islamisten", glaubt Osman. "Unbezahlte Soldaten lassen sich von ihnen leicht bestechen."

Dabei könnte die Gefahr von Überläufern mit vergleichsweise wenig Geld gebannt werden: Der Sold beträgt gerade einmal 100 US-Dollar pro Monat, nicht einmal 75 Euro. Bilden die UN somalische Sicherheitskräfte aus, zahlen sie den Sold, um zu verhindern, dass ihre Hilfe sich ins Gegenteil verkehrt. Die Bundesregierung hingegen weigert sich bis heute, für die von Deutschland ausgebildeten Männer zu bezahlen - und das, obwohl sie sich in einem Abkommen mit den UN dazu verpflichtet hat.

"Die betreffenden Polizisten werden noch nicht von Deutschland bezahlt", sagt Außenstaatssekretär Hoyer. Die Umsetzung setze "die Rückkehr der Polizisten nach Mogadischu voraus, die bislang nicht geschehen ist". Tatsächlich rechnet niemand, auch nicht die für Somalia zuständige deutsche Botschaft in Nairobi, damit, dass die "Polizisten" je nach Mogadischu kommen werden. Über Land ist die Stadt unmöglich zu erreichen. Und Flüge, die den Sicherheitskräften die Reise ermöglicht hätten, wollte Deutschland nicht bezahlen. Das nach einem taz-Bericht im Juli geschlossene Abkommen zwischen Deutschland und dem UN-Entwicklungsprogramm wird deshalb von vielen UN-Vertretern in Nairobi als Scheingeschäft kritisiert.

Die deutsche Untätigkeit könnte schwere Folgen haben. Die Islamisten der Shabaab haben angekündigt, die somalische Übergangsregierung militärisch in die Knie zu zwingen - mit allen Mitteln. Der Sprecher der Shabaab-Miliz, Sheikh Ali Mohammed Hussein, rief vor zwei Wochen über islamistische Radiosender und Zeitungen Frauen und Kinder auf, zum Sieg beizutragen. "Kauft Gewehre und Munition für eure Kinder, denn der Koran sagt: Jemanden für den heiligen Krieg auszurüsten ist so gut, wie selbst an ihm teilzunehmen." Sheikh Hussein zufolge sollen in den vergangenen Wochen bereits hunderte Frauen und Kinder in somalischen Camps zu Selbstmordattentätern ausgebildet worden sein. Zwar lassen sich diese Behauptungen nicht überprüfen, doch unwahrscheinlich sind sie nicht.

Derzeit herrscht in Mogadischu, der einzigen Stadt, wo die Übergangsregierung überhaupt Gelände kontrolliert, ein militärisches Patt. Fällt Mogadischu, beherrschen die Islamisten das ganze Land. Für international aktive islamistische Terrorgruppen, die nach neuen Basen suchen, wäre das eine fantastische Nachricht. Nach den tödlichen Shabaab-Anschlägen in Uganda nach der Fußball-WM fürchten Somalias Nachbarstaaten schon jetzt neue Anschläge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • TS
    Thomas Sch.

    Lieber Wolf,

    Sie machen viele Worte, aber sagen tun Sie nicht so viel, z. Bsp. das sog. „kritische Bewußtsein“: Glauben Sie im Ernst, daß fast sieben Millionen Hartz-4-Empfänger in Deutschland bei nicht einmal 5 Euro pro Tag lange darüber nachdenken können, was für Produkte sie einkaufen? Und denen wollen Sie auch noch mangelnde Aufgeklärtheit vorwerfen. Kommen Sie mal von Ihren intellektuellen Ross herunter und bewegen sich in den Reihen der Leute, die bei kaum Geld ihr Leben organisieren müssen. Diese Leute haben keine Zeit zu erörtern, „welche Strukturen das födert“. Mann, wo leben Sie denn? „Nachfrage aktiv gestalten“ sagen Sie; ja toll. Das heißt für uns dann Netto, Aldi oder Lidl. Tolle Gestaltungsmöglichkeit ! Echt super. Wenn Sie jemanden kritisieren wollen, dann wenden Sie sich bitte an den irren Potentaten, der in Afrika seine Küste verhökert. Oder meinetwegen an gerade diese Konzerne, die solche Leute bestechen, sorry, dafür bezahlen, damit gerade das passiert. Aber hören Sie auf, uns Schuldgefühle einreden zu wollen. Zum Krieg: Ich fühle mich in keinster, aber auch nicht in allergeringsterweise schuld an irgendwelchen Anschlägen. Wenn ich bei rot über die Ampel fahre, ist nicht die Gesellschaft schuld, sondern ich. Schuld ist immer individuell. Und auch wenn ich Sie provoziere: Falls Sie mir in die Fresse kloppen, sind und bleiben Sie schuld. Es kommt darauf an, sich nicht provozieren zu lassen ! Natürlich ist der Krieg in Afghanistan eine völkerrechtswidrige Besetzung des Landes und wir Idioten haben uns da reinziehen lassen, weil Schröder da rumgefaselt hat von wegen „uneingeschränkter Solidarität“ und unsere Jungs sitzen jetzt da unten und müssen sich beschießen lassen. In einem Land, wo die meisten Leute noch nie von 9/11 gehört haben. War die Nachfrage jetzt für Sie kritisch genug ?

  • W
    wolf

    Sehr geehrter T.S.

     

    ich denke das problem das man nicht weiss woher der fisch kommt liegt an mangelnder aufgeklärtheit. ein blick aus etikett hilft schon mal ein bisschen weiter. der kunde kann den weg des geldes nicht bestimmen. das ist richtig. aber die nachfrage des kunden schafft zustände die nicht wünschenswert sind. die nachfrage kann aktiv gestaltet werden, ich kann entscheiden ob ich genmais oder konventionellen bevorzuge, und somit für einen zuwachs oder einen abwachs der angebotsseite sorgen. das extrem wäre ein boykott.

    ich will nicht sagen sie sollen kein geld mehr ausgeben. aber es ist letztendlich so, dass alles was in ihrer macht steht die nachfrage ist, die sie als person verkörpern. somit wäre ein bewusstsein zu den dingen die man so nachfragt wirklich wünschenswert.

    der kunde ist nicht mitschuld weil er lebensmittel kauft. aber wenn der kunde bewusst genmais kauft fördert er die strukturen, den konzern und alle mitverdiener. er sollte insofern ggf einen gewissenskonflikt haben. nein, ich will auch hartz 4 empfänger nicht zwingen. ich denke, wenn ein bewusstsein für diese "macht" der nachfrage vorhanden wäre würde das anders ganz gut funktionieren.

    zum thema krieg.

    es ist in keinster weise unsinn. wenn ich mich zurückerinnere gab es nicht eine terrorwarnung islamistischer gruppierungen vor 2000. der einsatz in afghanistan hat das ansehen deutschlands mindestens in der arabischen welt und bei allen friedfertigen menschen zerstört.

    selbst merkel spricht von krieg. ein krieg ist nicht einseitig, das ist eine besatzung. amerika hat das problem der mudschahedin geschaffen indem es sie gegen russland aufrüstete, und lies osama bin laden vom cia ausbilden.deutschland hat nichts in afgahnistan verloren. ein anschlag wie der vom 9/11 ist eine kriminelle tat, aber keine kriegserklärung. der war aganinst terrorism wird von brandstiftern geführt, die folgen die bei uns ankommen sind dass die minarette verboten und muslime aus dem land gewiesen werden sollen.

    es ist auch nicht so das das geld das die raucher zwangsgeleitet an afghanisten abgeben durch hände und kanäle wandert, diese abgabe ist wie gesagt zweckgebunden.

    sie brauchen mir in keiner weise trost zu spenden. verwenden sie diese energie doch besser darauf eine kritische nachfrage an den tag zu legen und nachhaltig zu handeln.

  • TS
    Thomas Sch.

    Sehr geehrter Herr Wolf,

    da stimmt was nicht mit Ihrer Argumentation: Wie vermag ich als Konsument im Laden erkennen, daß der Fisch, den ich kaufe, aus einem Gebiet stammt, wo er eigentlich gar nicht gefangen werden dürfte ? Gar nicht kann ich das erkennen. Sie argumentieren, daß dort, wo der Kunde Geld hinterläßt, er als „mitschuldig“ benannt werden darf. Nun, erstmal möchte ich Sie bitten, die Begriffe „mitschuldig sein“ und „verursachen“ gegeneinander abzugrenzen. Natürlich kommt ein Teil meines Fisch-Geldes vtl. bei dem Potentat an, der gegen eine horrende Summe, europäischen Fischtrawlern gestattet, vor seiner Küste zu fischen und somit seiner einheimischen Bevölkerung sozusagen das Wasser abgräbt. Insofern verursacht auch mein Geld, daß dieses Tun vorkommt. Aber verursachen heißt doch nicht eo ipso mitschuldig werden. Der Kunde kann doch den Weg seines Geldes nicht bestimmen.

     

    Gegenfrage: Wenn ich nun immer dort, wo mein Geld etwas Illegales bewirken können könnte, dieses nicht dort ausgebe und möglicherweise überall immer etwas schmutziges passiert, wäre ich logischerweise gehindert, überhaupt mit meinem Geld irgendwo mitzumachen, bzw. einzukaufen. Wie soll das gehen ? Als Kunde wäre ich ja gehindert, überhaupt dort Geld auszugeben, wo man vermuten müßte, das es illegal zugehen könnten. Das aber ist nahezu überall der Fall. Sie können den Kunden doch nicht nur, weil er Lebensmittel einkauft, zu einem Mitschuldigen eklären.

     

    Selbst wenn es auf der Packung draufstände und der Kunde die Wahl hätte, zwischen ökologisch unbedenklich (teuren) Fisch und dem (preisgünstigen) aus dem verbotenen Gebiet; wollen Sie tatsächlich einer Hartz-4-Familie vorschreiben, was sie zu kaufen hat ? Nein, nein, nein, Herr Wolf. So geht das nicht.

     

    Weiterhin versteigen Sie sich zu der unfaßbaren Aussage, daß wir schuldig sein daran, daß Terroristen uns angreifen. Sie erklären daß damit, daß wir eine moralische, ideologische Vorlage liefern würden. Das ist in mehrfacher Hinsicht -sorry- einfach Unsinn. Erstmal hat der Terrorist als Angreifer ja die Wahl, aus welchen der Vorlagen -ob nun moralisch oder ideologisch- er sich bedient. Er könnte ja auch die moralisch ideologisch friedliche Wahl treffen. Wäre das dann ebenso auf uns zurückzuführen ? Wenn der Terrorist eben kein Terrorist wird, ist das dann auch unsere ideologisch moralisches Vorbild ? Oder sind wir nur dann der Verursacher, wenn´s gewalttätig wird ? Wie wollen Sie denn einem Menschen erklären, daß nur die schlechten Taten auf uns zurückzuführen seien und die guten mal eben nicht ? Wo ist denn da das Kriterium, nach dem Sie das entscheiden ? Das kömmt mir nun aber denn doch sehr willkürlich vor, Herr Wolf.

     

    Lieber Herr Wolf, ich möchte Sie versuchen zu trösten: Auch wenn Sie rauchen und Ihr Geld irgendwo weiterwandert und irgendwo mit dem Geld irgendetwas gekauft wird, was Ihnen nicht paßt: Das ist wirklich nicht Ihre Schuld. Selbst, wenn Sie auf dem Geldschein notieren würden: „Dieser Geldschein darf nicht für den Waffenkauf benutzt werden.“ Wer würde sich daran halten ? Wie könnten Sie es verhindern ? Sie können es nicht. Lassen Sie sich keine Schuldkomplexe einreden und nutzen Sie Ihre Kraft lieber dafür, aktiv etwas gegen den Krieg zu tun. Falsche Schuldgefühle schädigen den Menschen in seiner Kraft, Gutes zu tun. Machen Sie da nicht mit.

  • TD
    Tyler Durden

    @Wolf

    @Thomas Sch.

     

    Ihr benutzt beide den Begriff “Schuld”, obwohl es ganz einfach nur um einen unbestreitbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung geht…

    Es geht nicht um „Schuldsprüche“ sondern um „Verstehen“ was da abläuft.

    Und es ist nun mal so, dass es unsere Lust auf billigen Fisch ist, welche die hiesigen Konzerne dazu veranlasst, hat unter anderen auch die Gewässer vor der somalischen Küste leer zu fischen.

    Womit haben sie denn da Schwierigkeiten? Das ist doch eigentlich recht einfach zu verstehen, dass die dortigen Fischer sich dann eine andere Einnahmequelle suchen.....

  • W
    wolf

    sehr geehrter thomas sch.,

    ob wir schuld sind, sie und ich persönlich, das vermag ich nicht zu erfassen da ich nichts über sie weiss. ob ich schuld bin? ich bin raucher, unterstütze somit den krieg m meinem geld, bin somit ungewollt kollaborateur dieses furchtbaren einsatzes.also: ja, mitschuld!

    den grund für die piraterie findet man im leerräumen der fischgründe. ob "wir" daran schuld sind, keine ahnung. wohl jeder der billigen französich oder kanadisch importierten fisch kauft. genau dass ist das problem an der sache der schuld, das allein etwas ungefährliches wie eine nachfrage einen prozess in gang setzt, was sie nicht leugnen können herr sch. durch diese aktivität die den prozess unterstützt oder formt hat man eine handlungsverantwortung. und wenn diese fatal ausfällt für wenige menschen dann handeln wir schon durch nichthandeln, indem wir weiter nachfrage erzeugen, unser verhalten nicht ändern.

    und ja wir sind schuld wenn terroristen uns angreifen, da wir ihnen die moralisch ideleologische vorlage liefern. 8 jahre kriegseinsatz und keine reaktion? was ist das für ein krieg? herr sch., sie stellen sich als einen kriegstreibenden nicht reflektierenden industrienationbewohner da. das kann doch nicht ihre intention gewesen sein? wenn sie in kairo überfahren werden würde ich die schuld bei ihnen suchen, vielleicht beim fahrer, nicht beim fabrikathersteller. das beispiel hinkt, da es so tut als hätten alle die selbe möglichkeit zu handeln.. dass dies nicht gegeben ist herr sch., ist doch hoffentlich offensichtlich?

  • TS
    Thomas Sch.

    Lieber Wolf,

    bei Ihrer Auffassung fällt auf, daß wir quasi an allem schuld sein sollen: Wir sind schuld, wenn es einen Krisenherd gibt, Ihrer Meinung nach sind wir auch schuld, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt in der Praterie suchen, wir sollen ebenso schuld dran sein, wenn Terroristen uns angreifen.... Sagen Sie mal, haben Sie da irgendwas mit Schuld am Laufen ? Das kann doch im Ernst nicht die Auffasung eines gebildeten Menschen sein. Sie halten die Kausalkette einfach da an, wo der Westen ein Glied in der Kette ist; ist das die Machart Ihrer Begründung ? Wenn ich also in Kairo von einem Auto überfahren würde, wäre Ihrer Auffassung nach automatisch der Westen schuld, weil der hat ja einen der armen Ägypter quasi gezwungen, eine westliche Karre zu kaufen, weil der Westen den Aufbau einer ägyptischen Autoproduktion verhindert hat. Funktioniert Ihre Kausalkette so ?

  • W
    wolf

    @gerald: es geht auch nicht um die ak auf dem bild. es geht um die art und weise deutschlands in krisenherden die finger drinzuhaben und mitzuverdienen. somalia ist ein failed state. nachdem das bekannt war haben kanadier franzosen und andere die fischgründe leergeräubert, woraufhin sich das piratenproblem- somit auch ein westlich geschaffenes-etablierte. mittlerweile ist es offen gesagt worden dass unsere freiheit auch in transportschiffen lagert, welche somit verteidigt gehören...

    wir verteidigen unsere freiheit an variablen standorten. der war of terror ist ein angriffspakt weniger scheindemokraten.

    das ganze ist ein trend der einen nicht auf dem sessel sitzen lassen sollte.

    und frieden ist das wichtigste. ich habe allerdings keinen frieden wenn 20 jährige mit mp5s nach böse aussehenden moslems suchen. wir kämpfen seit 8 jahren in afghanistan. den terror haben die minister zu verschulden. du denkst auch guttenberg will frauen befreien, was?

  • G
    Gerald

    @vic: der Mann auf dem Bild traegt eine Ak 47, wohl kaum aus deutscher Herstellung.

     

    Ausserdem: mir geht diese bigotte Prinzipienreiterei hier auf den Wecker. Fuer die menschen ist Frieden das Wichtigste, vorzugsweise in einer freieren Gesellschaft als die andere Partei (die islamisten) wohl anstreben. Vom Wohnzimmersessel (bzw vor dem PC im geheizten Wohnzimmer) lassen sich prinzipien immer schoen einfordern.

  • V
    vic

    Wundert es da noch jemand, dass >Pirat< der Traumberuf junger Somalis ist?

    Aber hey, so lange die fleißig deutsche Waffen kaufen, haben wir mit den dortigen Zuständen kein Problem, oder?

  • TD
    Tyler Durden

    Ohne eine gehörige Portion Zynismus kann ein normaler Mensch solche Geschichten eigentlich kaum ertragen. Anders ist das bei Staatsdienern aller Art, die sich mich sowas recht einfach tun, die Formulioerung auf Anfragen zegen dies ja. Wohl wegen der Pensionsansprüche mit denen man am Ende belohnt wird, für gezeigte und gelebte Ignoranz und Unsensibilität, also die Abwesenheit von Lebendigkeit, von Menschsein.

    Das Problem, das dies erst möglich macht ist, dass diese Leute leider die wahren Repräsentanten des Volkes sind, das sie gewählt hat. In einert Angelegenheit wie dieser wäre es völlig albern, von einem Volk Aktionen zu erwarten, das keine allzu grossen Probleme damit hat, wenn seine von ihm erarbeiteten Steuern dafür verwendet werden um seine "Freiheit am Hindukusch zu verteidigen" oder die Millionengehälter von Mangern "systemrelevanter Banken" zu finanzieren.

    Da sollen ein paar tausend somalischer Leichen interessieren? Da reicht es bestenfalls für ein wenig gut-menschlicher Entrüstung und das Thema wird wieder vergessen....

  • P
    peter

    diese meldung ist schon uralt. auch der spiegel hat schon vor "urzeiten" bereits darüber berichtet.

  • S
    soso

    Tja, auch das wäre Entwicklungshilfe, Herr Schniebel! Warum versuchen wirs nicht mal zivilisiert und zivil, anstatt mit der Keule um den Baum zu rennen?

  • M
    Mika

    Psst, Terrorbekämpfung heißt das. Deutschland zahlte vermutlich auf Druck unserer Vormacht USA. Da durfte D sowieso nix mitreden.

  • N
    never!Land

    Herr Engelhardt, warten Sie doch ab, was erst passiert, wenn mit deutsch-amerikanischer Hilfe und russischen Panzern der Südsudan einen (Bürger-)krieg gegen den Norden vom Zaun bricht. Die Piraten haben ja bereits dummerweise solche Lieferungen von Kriegsmaterial aufgedeckt (kein Wunder, dass man sie so eifrig bekämpft). Somalia wird ein Witz dagegen gewesen sein, jeder wird sich fragen, wie das bloß passieren konnte, wie solche antidemokratischen Rassisten an die Macht gelangen konnten und die Bundesregierung wird Krokodilstränen vergießen über die vielen unschuldigen Toten, während sie bereits mit eben jenen Radikalen Ölverträge abschließt, denn: Eines hat der Südsudan den Taliban voraus, dass ihnen der Westen hilft, statt sie zu überfallen: Sie sind Christen! Und denen muss man natürlich gegen die mit den Chinesen kooperierenden Muslimen im Norden helfen...

     

    Im Januar ist es übrigens so weit, passiend zur voraussichtlichen Fertigstellung der "Außenstelle" der deutschen Botschaft im Sudsudan...

  • S
    sam

    "Sheik Hussein" scheint wieder einmal zu verwechseln, daß der "Jihad" ein "innerer Krieg gegen den im eigenen inneren handelnden Shaitan" ist - und kein äusserer Krieg.

     

    Hier wird das Buch falsch interpretiert.

     

    Dies sollte klar festgestellt werden.

     

    Die Fehler der deutschen Regierung werden dadurch natürlich nicht entschuldigt oder gar wieder gut gemacht.