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Kaczynski kritisiert die neue RegierungErste Machtprobe in Polen

Polens Regierung unter Donald Tusk soll am Freitag vereidigt werden. Staatspräsident Kaczynski will sein Veto-Recht häufiger gebrauchen - und kritisiert die Ministerwahl.

Will das "nationale Interesse" Polens mit dem Veto "retten": Lech Kaczynski (l) begehrt gegen den künftigen Regierungschef Donald Tusk (r.) auf. Bild: dpa

WARSCHAU taz Polens neue Koalitionsregierung unter dem Liberalkonservativen Donald Tusk wird es nicht leicht haben. Denn Staatspräsident Lech Kaczynski kündigte an, dass er künftig häufiger von seinem Vetorecht Gebrauch machen werde, um das "nationale Interesse" Polens zu retten. Tage vor der heutigen Vereidigung der neuen Regierung kritisierte Kaczynski die Auswahl der Minister. Eigentlich müsse der Premier das Kabinett mit ihm beraten, meinte er beleidigt. Geheimnisvoll deutete er an, dass insbesondere der Lebenslauf des künftigen Außenministers Radoslaw Sikorski schwarze Flecken aufweise, die den früheren Journalisten für den Posten des obersten Diplomaten Polens disqualifizierten.

Das Rätsel, weshalb Sikorski zwar Verteidigungsminister in der nationalkonservativen Regierung seines Bruders Jaroslaw Kaczynski sein konnte, nun aber angeblich nicht Außenminister der neuen Regierung aus Bürgerplattform (PO) und Bauernpartei (PSL) werde dürfe, löste der Präsident nicht auf. Das "Staatsgeheimnis" rauschte dann durch den Blätterwald Polens. Angeblich soll Sikorski, als er in den 80er Jahren in Großbritannien um politisches Asyl bat und an der Universität Oxford studierte, vom britischen Geheimdienst angeworben worden sein.

Andere angeblich gut informierte Kreise munkelten vom kommunistischen Geheimdienst. Präsident Kaczynski will mit der "ganzen Wahrheit" erst herausrücken, wenn Tusk als Regierungschef Polens vereidigt ist und dann ebenfalls das "Staatsgeheimnis" wahren muss. Inzwischen ermittelt auch die Warschauer Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Verteidigungsminister. Der Vorwurf: Verrat von Staatsgeheimnissen.

Im März 2007 hatte sich Sikorski öffentlich über den Chef des militärischen Abwehrdienstes Antoni Macierewicz lustig gemacht, der in einem Bericht feststellte, dass ganz Nordafghanistan angeblich von Russland kontrolliert werde. Gespannt warten die Polen, ob der Staatschef heute Sikorski vereidigt oder es zu einem ersten Eklat kommt.

Für Tusk, dessen Bürgerplattform bei der Wahl am 21. Oktober stärkste Partei wurde, ist dies ein erster Machtkampf mit dem Präsidenten. Er wie auch Waldemar Pawlak, der PSL-Parteichef, neue Vizepremier und Wirtschaftsminister, halten an Sikorski fest.

Die meisten neuen Minister sind der polnischen Öffentlichkeit bislang unbekannt, nur Tusk, Pawlak, Sikorski, der bisherige Generalsekretär der PO Grzegorz Schetyna und der frühere Oberbürgermeister von Breslau Bogdan Zdrojewski sind aktive Politiker, die auch in den letzten beiden Jahren im Rampenlicht der Kameras standen. Insgesamt werden der neuen Regierung 18 Minister angehören. Neun stellt die PO, drei die Bauernpartei, sechs sind parteilose Experten. In der Vergangenheit war die PSL durch Postengeschachere unangenehm aufgefallen. Inhaltlich konnte sie nicht viele Erfolge aufweisen. Ob sich dieser Politikstil ändern wird, ist noch nicht erkennbar. Doch allein die Tatsache, dass die PSL außer dem Landwirtschaftsminister auch das Wirtschaftsministerium sowie das Arbeits- und Sozialministerium besetzen wird, zeigt, dass sich die PSL ein neues Wählerpotential erschließen will.

Tatsächlich bietet die Koalition mit den Liberalkonservativen den Bauen die Chance einer Neuprofilierung: weg von einer Klientel- hin zu einer modernen Volkspartei. Tusk will mit seiner Regierung nicht nur die von seinem Vorgänger geschürten Konflikte in der polnischen Gesellschaft lösen, sondern auch die Beziehungen zur EU und besonders zu Deutschland und Russland verbessern

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