Kabarettist über Große Koalition: „Die CSU ist das ganze Restaurant“
Koch oder Kellner? In der Großen Koalition hat sich die CSU durchgesetzt, sagt Kabarettist Urban Priol. Und Gabriel sei froh, Merkels Stuhlbein zu halten.
taz: Herr Priol, 17 Stunden haben Union und SPD nonstop verhandelt. Haben Sie auch bis Mittwochmorgen um sechs Uhr mitgefiebert?
Urban Priol: Bis halb vier war ich wach. Um halb acht bin ich wieder aufgestanden und habe mir im Fernsehen die übernächtigten Politiker angesehen. Diese armen Menschen, das ist schon ein großes Schicksal.
Horst Seehofer freut sich, dass bei den Verhandlungen „auch Humor möglich war“. Wären Sie da nicht gerne dabei gewesen?
So wie Seehofer bei den Koalitionsverhandlungen anlatschte, habe ich mich immer gefragt: Was nimmt der Mann? Super, diese Gelassenheit von ihm, nicht mehr die Frage zu stellen, wer ist in der neuen Koalition Koch oder Kellner. Der hat einfach gesagt: Die CSU ist sowieso das ganze Restaurant. Das fand ich schon prima. Und wie Gabriel sich gefreut hat, dass er jetzt das eine Stuhlbein des Thrones halten darf, auf dem die Kanzlerin sitzt, fand ich auch super.
Das sei ein „Koalitionsvertrag für die kleinen Leute“, sagt Gabriel. Wie sehen Sie das?
Mir hat noch besser gefallen, dass die Kanzlerin gesagt hat: 2017 wird es den Menschen besser gehen. Wenn es erst 2017 besser geht, was passiert eigentlich in den vier Jahren dazwischen mit den kleinen Leuten? Das würde mich mal interessieren.
, 52, wollte eigentlich Lehrer werden, besann sich dann aber eines Besseren und wurde Kabarettist. Bis zum vergangenen Sommer verkörperte er in der politischen Satiresendung „Neues aus der Anstalt“ des ZDF den Leiter einer psychiatrischen Klinik. Sein Kollege Erwin Pelzig gab den Sprecher der Anstalt.
Wie begeistert sind Sie vom Verhandlungsgeschick der SPD?
Ich hätte mir ja gewünscht, dass die SPD mal Mumm zeigt und einfach sagt: Wisst ihr was, liebe Leute von der Union, ihr habt so eine breite Brust, dann macht’s doch allein. Mit euren tollen Argumenten werdet ihr euch die sechs Stimmen, die ihr braucht, um eine Mehrheit zu bekommen, schon zusammenklauben. Das wäre mal die Uridee der Demokratie gewesen, dass man einfach so wie im alten Griechenland die Kunst der hohen Rede pflegt. Das hätte mir gefallen. Aber da sind die Fleischtröge der Macht im Weg gewesen, an die natürlich auch die Genossen gerne wollen.
Aber gibt es dafür nicht wenigstens den Mindestlohn?
Ja, das war ihr großes Anliegen. Nun wird der Mindestlohn 2015 eingeführt, aber nicht für alle, sondern es gibt Übergangsfristen. Erst 2017 soll er verbindlich gelten. Die Union wird hoffen, dass die FDP wieder ins Parlament kommt, um dann zu sagen: Freunde, war nicht so gemeint.
Die Ministerliste soll aus Rücksicht auf die SPD erst nach deren Mitgliederentscheid verraten werden. Ist das klug?
Bei der SPD überrascht mich eigentlich seit Längerem nichts mehr, vor allem nichts im positiven Sinne. Ich vermute mal, die wollen das nachher als kleines Advents- oder Weihnachtsgeschenk präsentieren: Wenn ihr für den Koalitionsvertrag stimmt, dann verraten wir euch auch, wer euch vertritt.
Jetzt steht der SPD-Mitgliederentscheid an. Wie würden Sie stimmen?
Wenn ich gefragt würde, wäre ich wohl dagegen. Ich bin immer gegen Langeweile.
Gibt es noch eine Botschaft, die Sie übermitteln möchten?
Ja, an die Grünen: Überlegt’s euch mit Bouffier. Nicht schon wieder eine Enttäuschung!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften