: K.Polacek - Neonazi aus Mackenrode
■ Seit Jahren ist sein FAP-Zentrum das Basislager für neonazistische Terroraktionen / Eine kleine Übersicht über das Treiben eines Mannes: „Wir meinen, wir müssen auf der ganzen Welt siegen“
Göttingen (taz) - Karl Polacek, Multi-Funktionär der rechtsextremen Freiheitlich-Deutschen Arbeiterpartei (FAP), und sein Anwesen in dem Dörfchen Mackenrode bei Göttingen sind erneut einschlägig aufgefallen. Am Samstag griffen Polacek und ein anderer Neonazi eine Gruppe von Frauen mit Leuchtspurmunition und einer Axt an (die taz berichtete gestern). Polacek wurde vorübergehend festgenommen und wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung angezeigt. Gestern war der FAP-Mann aber schon wieder auf freiem Fuß - das Amtsgericht Duderstadt setzte den beantragten Haftbefehl „gegen Auflagen“ aus.
Der heute 56jährige Polacek stammt aus Wien. Über Lappland und Norwegen, wo er unter anderem als Schiffselektriker arbeitete, kam er im Frühjahr 1981 nach Südniedersachsen. Seine politische Laufbahn führte vom „Bund heimattreuer Jugend“ und der radikaleren „Bündischen Jugend“ über die NPD zur FAP. Im Herbst 1985 gründete Polacek einen Kreisverband der Partei und übernahm selbst zunächst Funktionen als „Gau -Kassierer“, Schriftleiter und Bezirksvorsitzender. Vor zehn Tagen soll er zum Landesvorsitzenden gewählt worden sein. Im Juni 1984, während des Europawahlkampfes für die NPD, wurde Polacek das erste Mal „straffällig“. Beim Plakatekleben schlug er einen Passanten nieder; ein Göttinger Gericht verknackte ihn wegen Körperverletzung zu 1.000 Mark Geldstrafe.
Seit Beginn der 80er Jahre tauchten an Polaceks Wohnsitz in Mackenrode regelmäßig Gruppen der neofaschistischen Wikung -Jugend und anderer Nazi-Vereinigungen auf, die in den nahegelegenen Wäldern Wehrsportübungen veranstalteten und Sonnenwendfeiern zelebrierten. Eine dieser Festlichkeiten stieg am Abend des 20.Dezember 1986. Zirca 40 Personen zogen mit Fackeln und dem schwarz-weiß-roten Reichsbanner durchs Gehölz, brüllten „Sieg Heil“ und schmetterten NS-Lieder. Der Lärm, so berichteten Einwohner gegenüber der Lokalpresse, sei „bis ins Dorf“ zu hören gewesen. Später sperrten schwarz -uniformierte Jugendliche eine Straße ab, hielten Autos an und kontrollierten die Personalien der Insassen. Eine Resolution von Mackenroder BürgerInnen an die Behörden, „weiteren Treffen dieser Gruppe entgegenzuwirken“, blieb ohne Konsequenzen.
Ausgehend von einem überregionalen Skinhead-Treffen bei Polacek überfielen knapp 50 Neonazis am Osterwochenende '87 einen Türken im nahegelegenen Northeim. Im Verlauf der Nacht entwickelte sich eine erbitterte Straßenschlacht mit antifaschistischen ausländischen und deutschen Jugendlichen.
Im März des darauffolgenden Jahres startete die Bundesanwaltschaft eine großangelegte Razzia in mehr als 90 „Objekten“ von mutmaßlichen Rechtsradikalen. Auch Polaceks Haus, inzwischen zu einem der vier bundesweiten FAP -Schulungszentren avanciert, wurde durchsucht. Nach Angaben des niedersächsischen Landeskriminalamtes wurde dabei „Schriftgut sichergestellt“.
3.000 Menschen beteiligten sich im Mai an einer antifaschistischen Demonstration in Mackenrode, zu der ein breites Bündnis vom DGB bis zu den Autonomen aufgerufen hatte. Polacek verschanzte sich mit 32 „Kameraden“ im Haus. „Dann werden die Waffen ausgegeben. Äxte, Speere, Macheten, Dreschflegel und Knüppel. Jeder eine Lang- und eine Kurzwaffe“, schreibt er später in der FAP-Monatszeitung 'Deutscher Standpunkt‘.
400 DM Strafe mußte Karl Polacek im Juli abdrücken, weil er Polizeibeamte in einem Brief an die Gemeinde als „Handlanger des westzonalen Besatzerregimes“ und „Gamaschenaffen“ bezeichnete. Die nazistischen Computerspiele „Arier-Test“ und „Anti-Türken-Test“ wurden 1988/89 über eine Mailbox in Mackenrode vertrieben, bis es Hackern gelang, die Programme mit Viren zu killen. Auch für die an Schulen und Jugendtreffen verklebten FAP-„Spuckis“ zeichnet Polacek presserechtlich verantwortlich.
Im November letzten Jahres marschierten rund 100 Neo-Nazis unter der Führung von Polacek und seinem inzwischen in den Untergrund abgetauchten „Stellvertreter“ Torsten Heise durch die Göttinger Innenstadt, um ein Jugendzentrum anzugreifen. Die Polizei stand während der Aktion „in engem Kontakt“ mit Polacek. Die partielle Zusammenarbeit bewährt sich auch am vergangenen 7.Juli, als 60 bis 70 Neonazis von Mackenrode aus zu einem Wirtshaus im Nachbardorf aufbrachen, um dort ein improvisiertes FAP-„Gau-Treffen“ abzuhalten. Ein Polizeisprecher bestätigte, daß es den ganzen Tag über eine direkte Leitung zwischen Einsatzleitung und Polacek gegeben hat.
„Wir versuchen, soweit es geht, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Ihnen, wenn es geht, Straftäter zuzuführen... Wir stehen durchaus positiv zur Polizei, aber es gibt natürlich auch Reibungen untereinander“, hat Torsten Heise im WDR-Fernsehen vor kurzem behauptet. Karl Polacek, kurz zuvor von Kennzeichen D interviewt, sagte: „Adolf Hitler hat gemeint, wenn er in Deutschland die Macht hat und Deutschland gesiegt hat, dann reicht das. Wir meinen, wir müssen auf der ganzen Welt siegen.“
Max Eckart
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