KORRUPTION: AUCH DER BONNER CDU-SKANDAL IST KEIN EINZELFALL: Der Balken im eigenen Auge
Natürlich, der Bonner Exratsfraktionschef Reiner Schreiber ist nur ein bedauerlicher Einzelfall. Ob Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Jürgen Rüttgers oder der Bonner CDU-Vorsitzende Helmut Hergarten: Sie können nur ein „individuelles Fehlverhalten“ feststellen. Das Bemerkenswerte ist, dass es zurzeit scheint, als könnte die CDU mit ihrer dreisten Einzelfallstrategie erfolgreich sein. Auffällig ist, wie unterschiedlich der Bonner CDU- und der Kölner SPD-Skandal in der Öffentlichkeit behandelt werden. Dabei sind die Verbindungslinien zwischen beiden augenfällig – nur dass in Schreibers schwarzer Kasse mehr Geld gefunden wurde.
Auch in Bonn scheint es ursprünglich um Schmiergelder gegangen zu sein, die im Zusammenhang mit dem Bau einer Müllverbrennungsanlage standen. Dafür spricht, dass Schreiber, der denselben Anwalt wie Müllmulti Hellmut Trienekens hat, sein Schweizer Schwarzgeldkonto bereits 1989 einrichtete – zu der Zeit also, als mit dem Bau der Bonner Verbrennungsanlage begonnen wurde.
Schreiber war wie sein Kölner SPD-Korrumpel Norbert Rüther ein vehementer Verfechter des Müllofens, allerdings hätte er ebenso wenig wie Rüther den Bau allein durchsetzen können. Einer, der sich seinerzeit zusammen mit Schreiber energisch dafür stark machte, kann allerdings leider heute nicht mehr befragt werden: Bonns früherer Oberstadtdirektor Dieter Diekmann. Der CDU-Politiker beging 1999 in der Untersuchungshaft Selbstmord. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn in Korruptionsverdacht. Auch so ein bedauerlicher Einzelfall. Genauso wie Theodor Blank. Im Oktober 1987 verschwand der bis dahin mächtige CDU-Ratschef plötzlich von der Bildfläche. Er habe seine beruflichen Ambitionen in parteischädigender Weise mit seinem Mandat als Rechtsanwalt verbunden, hieß es damals knapp von der CDU. Bis heute hat die Partei nicht mehr verraten.
Sein damaliger Sozius Christoph Brüse hingegen mischt als CDU-Ratsherr und Aufsichtsratschef der Bonner Stadtwerke immer noch kräftig mit. Er setzte sich wie Schreiber in auffallender Weise für den Verkauf der Müllverbrennungsanlage an eine gemeinsame Firma Trienekens und des Bonner Unternehmers Detlef Klaudt ein – und verschwieg bis zum vergangenen Monat, dass er für Klaudt auch als Anwalt tätig war. Gegen CDU-Mitglied Klaudt ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil er Schwarzgeld in die Schweiz transferiert haben soll – zu der Briefkastenfirma, die auch der tief in den Kölner Müllskandal versunkene Anlagenbauer Steinmüller benutzte. Da kann Rüttgers noch so oft von bedauerlichen Einzelfällen sprechen: Im Rheinland stinkt es nicht nur bei der SPD. In der CDU gibt es noch viel aufzuklären. PASCAL BEUCKER
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