KOMMENTARE: Billige Beschleunigung
■ Die SPD ist mit Diepgen nicht umsonst zufrieden
Der Regierende Diepgen (CDU) votierte in Bonn entgegen der Absprache mit dem Koalitionspartner SPD für das umstrittene Beschleunigungsgesetz. Damit entschied er den Ausgang der Abstimmung, denn die Zustimmung des SPD-regierten Rheinland-Pfalz hätte nicht genügt. Dank Diepgen können nun überregionale Verkehrsprojekte schneller als bisher realisiert werden. Einspruchsmöglichkeiten der Bürger werden extrem eingeschränkt. Praktisch wird es nicht mehr darum gehen, ob eine Autobahn gebaut wird, sondern nur noch darum, wie.
Die Berliner SPD-Fraktion war eigentlich gegen das Gesetz: Ökologie sei wichtiger als Geschwindigkeit und Mitbestimmung sei eine traditionell sozialdemokratische Forderung. Der Regierende durfte trotzdem für das Gesetz stimmen — und die Sozis hauen ihm mitnichten auf seine Abstimmungsfinger. Aus dem Blickwinkel der Sozis betrachtet, hätte es gar nicht besser kommen können. Der Koalitionspartner CDU ist genauso zufrieden wie Brandenburgs SPD. Beide wollen die beschleunigte Verkehrspolitik. Auch die eigenen Genossen aus dem Ostteil der Stadt sind froh — nach dem Zusammenbruch ihres »Trabi-Staates« wollen sie am liebsten nur noch Überholspuren. Die Berliner SPD-Fraktion muckt kaum auf: Denn Brandenburgs Landeschef Stolpe (SPD) — der sich selbst der Stimme enthielt — habe den CDU-Stadtchef höchstpersönlich gebeten, für das Gesetz zu stimmen. So muß Diepgen für seine Beschleunigungsstimme nicht einmal bezahlen — die Berliner Sozialdemokraten haben von dem Deal genug profitiert. Interessiert noch die Frage, ob dies Manöver in der Koalition von vornherein abgesprochen war. Dirk Wildt
Siehe auch Bericht auf Seite 22
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen