KOMMENTAR: »Berlin Sump« revisited?
■ SPD kann sich für sauberes Planungsrecht engagieren
Jeder Mensch vom Fach konnte schon zuvor damit rechnen, aber nun hat es Bausenator Wolfgang Nagel schwarz auf weiß in den Akten: Die Erteilung einer Baugenehmigung für das geplante »Brau- und Brunnen«-Gebäude in Charlottenburg wäre »offensichtlich rechtswidrig«, wenn darüber per Ermessen der Bauverwaltung oder per Befreiung vom Planungsrecht entschieden wird. Einen einzelnen Investor — mag er auch noch so seriös sein — herauszugreifen und ihn quasi von Amts wegen mit Geld zu überschütten, ist Willkür. Das sagen nicht bezirkliche Parteipolitiker, die sich profilieren wollen, das sagt das Charlottenburger Rechtsamt, also die Verwaltung selbst.
Schwer wiegt das auch deshalb, weil der Charlottenburger Rechtsamtsleiter Lothar Gosten nicht irgendwer ist. Gosten ist — das weiß auch Nagel — ein erfahrener Mann, seit Jahrzehnten im Amt, lange Zeit CDU-Mitglied und einer derjenigen unerschrockenen Beamten, über die der korrupte Charlottenburger CDU- Baustadtrat Wolfgang Antes stolperte, der seinerseits allzu auffällig Befreiungen vom Planungsrecht erteilte. Selbst wenn sich Nagel politisch über das Votum des Rechtsamts hinwegsetzen sollte, die Beamten seiner Bauverwaltung, die langfristig Berlin gegenüber verantwortlich sind, sollten so etwas nicht mitmachen.
Charlottenburg ist außerdem nicht irgendein Bezirk. Hier stand die Wiege des »Berlin Sump« ('New York Times‘), des größten Politkrimis der Nachkriegsgeschichte Berlins. Die SPD und ihr baupolitischer Sprecher Nagel haben sich damals als Partei profiliert, die für einen sauberen, verdachtslosen Umgang mit Baugenehmigungen — an denen ja immer sehr viel Geld hängt — steht. Nicht zuletzt deshalb stellt heute die SPD mit Claus Dyckhoff einen Baustadtrat, der solche rechtswidrigen Praktiken bekämpft. Gerüchte, daß Dyckhoff gerade deswegen von seiner eigenen Partei nach den Bezirkswahlen nicht mehr aufgestellt werden wird, entbehren hoffentlich jeder Grundlage. Eva Schweitzer
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