KOMMENTAR: MARCO CARINI ZU DEN FLÜCHTLINGSPOLITISCHEN IDEEN DER CDU.: Rechtsweg nicht ausgeschlossen
Mit ihren flüchtlingspolitischen Thesen balanciert Hamburgs CDU zwischen Stammtisch und Seriösität.
W enn die CDU sich offensiv dem Thema Flüchtlinge widmet, um ihr Profil zu schärfen, setzen sie sich stets einem Verdacht aus - dem des Populismus. So auch in Hamburg: Die nun von der Partei beschlossenen Anträge mögen sich grundlegend von der dumpfen Kraftmeierei der AfD unterscheiden, doch der zukünftige Rechtsweg der CDU ist damit nicht ausgeschlossen. Integrationslyrik und Ausgrenzungsklartext stehen hier nebeneinander - jeder kann sich herausfischen, was ins eigene Konzept passt.
Mit ihrem Flüchtlings-Doppelbeschluss begibt sich die CDU in die Gefahr, mit falschen Tonlagen und flachen Parolen rassistische Ressentiments zu bedienen. Da bekommen Menschen, die aufgrund von Hunger und Armut in ihrer Heimat keine andere Perspektive sehen als die Flucht anzutreten, das Etikett „Asylmissbrauch“ aufgeklebt. Und die künstliche Unterscheidung zwischen guten Kriegs- und bösen Wirtschaftsflüchtlingen - für die es, gerade in einer „christlichen Partei“ keinerlei moralische Grundlage gibt - blieb unhinterfragt. Dass politische Instabilität, Verfolgung von Minderheiten und wirtschaftliche Not meist Hand in Hand gehen, fand auf dem Hamburger Parteitag keine Erwähnung. Krieg kann töten, Armut aber auch.
Zudem entwickelt die CDU in ihrer alle Flügel einbindenden Analyse keine Tiefenschärfe: Gesetzlich fixierte „Abschiebehindernisse“, die es auch abgelehnten Asylbewerbern erlauben, auf Zeit zu bleiben, finden bei der Forderung nach schnelleren Rückführungen keinerlei Erwähnung. Anderes bleibt widersprüchlich: Da freut sich die Partei, dass Asylbewerber - die zum überwiegenden Teil später nicht anerkannt werden - nun schon nach drei Monaten arbeiten können. Gleichzeitig aber wird vor jeglicher Integration derjenigen gewarnt, die man später zurückschicken wird.
Aus dem Formelkompromiss werden sich Fortschrittliche wie Konservative nach Herzenslust bedienen. Mit beiden Flügeln schlagen, so nennt das der neue Parteichef Roland Heintze. Ein Doppelschlag, der Hamburgs CDU zerreißen könnte.
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